Wenn sich der Löwe erhebt und jagt, entsteht in Jagdrichtung des Löwen Hektik, Stress. Die einen optimieren ihre Fluchtanlagen, der Löwe seine Jagdstrategie. Links und rechts der Jagdroute des Löwen wird in Ruhe und Gelassenheit weiter geäst. Wenn der Löwe seine Beute erlegt hat, kehrt ringsumher die Ruhe wieder ein. Man sieht friedlich Zebras oder Antilopen in der Nähe des satten Löwenrudels entspannt weiden.
„Gelassenheit ist eine Überlebensstrategie der Natur. Gäbe es diese Gelassenheit nicht, stürben die Tiere am Herzinfarkt“, meint Dr. Hans Pellmann vom Naturkundemuseum.
Einer Tierart ist diese Gelassenheit, für die wir auch Synonyme wie Ruhe und Gleichmut verwenden können, unter dem Zwang ständigen Sich-Optimieren-Sollens gründlich ausgetrieben worden: dem Menschen. Sprachlich hat der Begriff „Gelassenheit“ seine Wurzeln im Mittelhochdeutschen: Hier wird der Begriff für „Gottergebenheit“ gebraucht. Sich gottergeben zu benehmen heißt dabei nicht, sich in alles und jedes zu fügen, sondern sich in eine bestimmte Situation zu schicken, sie anzunehmen. Nicht hinzunehmen. Gelassenheit ist eine Frage, die aus der Gleichwürdigkeit kommt, ein Begriff, den der holländische Erziehungswissenschaftler Jesper de Juul geprägt hat.
Das beistehende Bild des Tiermalers Hans Christoph Kappel, der schlafende Fennek, wurde von der Jury des Wettbewerbs ART & VIELFALT als Siegerbild gewählt, der Maler mit dem „Guericke-Einhorn“-Preis der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ausgezeichnet. Ein zunächst einmal unspektakuläres, im altmeisterlichen Stil gemaltes Bild, das in der Betrachtung „gewinnt“. In der Laudatio hieß es:
„Die Jury, aber auch den Betrachtern wird es so gehen, da bin ich mir sicher, war bezaubert von der Gelassenheit, die von diesem Tier, das sich vollständig dem Schlaf ergab, ausgeht. Es vermittelt die Gelassenheit, die der Natur grundsätzlich innewohnt, die einzig dem Menschen immer mehr abhandenkommt. Der im nordrheinwestfälischen Landkreis Höxter ansässige Kappel sagt, so wurde es auch in der Laudatio zitiert, zu seiner Arbeit: „Mein Anliegen ist es, mit meiner Arbeit Verständnis für den Erhalt von Natur und Umwelt zu schaffen. Ich möchte versuchen, für die Bewahrung unserer Naturschätze zu werben in Zeiten der Faszination von virtuellen Welten, die auf mich seltsam naturentfremdet und steril wirken. Die wirkliche Natur hingegen verschwindet, wie mir scheint, oftmals in kleinen Schritten fast unbemerkt.“ So gesehen ist sein Fennek-Bild zu gleichen Teilen Protest und Trost.
Kappel schafft es, dem Betrachter ein Stück einer heilen Welt zu offenbaren, die etwas Visionäres, aber nichts Verträumtes an sich hat. Ein Tier- zugleich aber auch ein Zeitbild. Übrigens, wenn Sie das Bild betrachten, erhält da nicht der Umstand, dass ausgerechnet ein deutscher Panzerwagen nach diesem Tier benannt ist, der Fennek, eine perverse Note?
Nach dem Publikumspreis ART & VIELFALT 2008 und dem „Silbernen Uhu“ 2005, dem Halberstädter Preis für Vogelmaler, erhielt Kappel anlässlich der Eröffnung der 4. Ausstellung „ART & VIELFALT – Impressionen aus der Tierwelt“ den Siegerpreis 2016. „Damit habe ich nicht gerechnet“, freute sich ein sichtlich überraschter Preisträger über seinen Preis für ein stilles Bild in lauten Zeiten.
Ein Zeitbild, das auf seine Art erinnert, dass Gelassenheit nicht die Lizenz zum Faulenzen ist, sondern eben eine Überlebensstrategie der Natur. Hinzuzufügen sei: auch eine Überlebensstrategie der Gesellschaft. Die Ausstellung ist im Naturkundemuseum Magdeburg zu betrachten.
Ludwig Schumann