Handarbeiten

FrankhengstmannEs wäre sicher übertrieben wenn ich behaupte, dass ich gern zur Schule gegangen bin. Vor allem die Liebe zu und in den naturwissenschaftlichen Fächern  glich meiner heutigen Haarpracht. Halbglatze! In der Unterstufe gab es neben Mathematik nur ein Fach, das mir noch suspekter erschien.

Diese eine Stunde in der Woche: Handarbeit! Ein Unterrichtsfach der absoluten Gleichberechtigung. Auch wir Jungs mussten mit Nadel und Faden einen dicken Stoff bearbeiten. Einen Stoff aus dem Opern entstehen: Aida-Stoff. Meine Mutter kannte meinen Stundenplan nicht auswendig. Wenn ich aber mit einer linken blutig zerstochenen Hand nach Hause kam, wusste sie, ich hatte Handarbeit. Das Schulfach Handarbeit war so … sinnlos! Wir lernten einen dicken roten Faden in den schon erwähnten Aidastoff zu quengeln, aber wie man einen Knopf annäht, lernte ich von meiner Großmutter. Der Lehrplan hatte dann aber ein Einsehen mit meinen blutig zerstochenen Fingern. Nur bis zur dritten Klasse war „Nadelarbeit“ Bestandteil des Stundenplanes.
Das  „Mann“ mit den Händen auch Sinnvolles anstellen kann, lernte ich mit zehn Jahren im Klavierunterricht. Mein Klavierlehrer machte mir Mut und sagte: „Klavierspielen ist eigentlich ganz einfach. Man muss nur im richtigen Moment die richtige Taste drücken. Mit einem Finger „Alle meine Entchen“ kann ja jeder. Aber mit zehn Fingern eine Etüde, also ein Übungsstück von Bach braucht wirklich viel Übung“. Man muss, um beim Thema Handarbeit zu bleiben, die linke Hand dazu bringen, dass sie nicht das gleiche tut wie die rechte. Und dann immer nur Tonleitern klimpern. Immerzu Etüden der Klaviatur entlocken. Das wollte ich nicht. Ich wollte, dass mein Klavierlehrer mir beibringt, wie man Songs von den „Beatles“ mädchenwirksam spielt. Er aber kannte die „Beatles“ nicht und ich wollte die ganzen Klassiker der Musik nicht so richtig kennenlernen. Also damals.
Der Spruch: „Alles durch meiner Hände Arbeit“ verliert aber in der Gegenwart immer mehr an Bedeutung. Ich will nicht skandieren: „Früher war alles besser und noch früher war alles noch besser“! Nein, im Gegenteil. Die stupide Handarbeit des Geschirrspülens macht heute für uns ein Automat. Selbst der Tag der großen Wäsche an dem die Waschküche im Keller einen ganzen Tag belagert war und dann die Wäsche Körbeweise gekocht, gespült und gewrungen wurde, gibt es heute nicht mehr. Ja, ja! Der Herr Bauknecht weiß eben was die Frauen wünschen.
Oder wenn man damals mit dem „Trabbi“ liegen blieb, konnte man sich immer selbst helfen. Zündkerzen wechseln war kein Problem. Unterbrecherkontakte selber einstellen ebenso. Riss der Keilriemen war die teure Feinstrumpfhose ein zu mindestens Nachhausebringer. Nicht dass sie jetzt denken ich trug Feinstrumpfhosen. Es mussten immer die meiner Liebsten dran glauben. Aber sie wollte ja auch nach Hause. Man half sich also immer selbst und das mit eigenen Händen. Wenn ich heute eine Motorhaube öffne, dann staune ich drei Sekunden und schließe sie dann wieder und rufe den Abschleppdienst. Man sollte sich wirklich einmal fragen: Wann habe ich das letzte Mal einen Brief nur mit der Hand geschrieben. Ich erst vor Kurzem. Doch nach nur drei Minuten spürte ich einem eklatanten Krampf in der rechten Hand und klappte doch wieder meinen „Läpftopf“ auf. Wozu also, etwas drastisch formuliert, brauchen wir eigentlich unsere Hände noch? Selbst das Handgeben beim „Guten Tag“ sagen ist aus sogenannten hygienischen Gründen verpönt. Wir sollten aufpassen, dass uns die Evolution nicht einholt. Organe die nicht mehr gebraucht werden verkümmern. Denken wir an das Steißbein oder an die Brustwarzen der Männer. Sie sind ähnlich wie Handarbeit in der Schule. Total… sinnlos.
Also machen wir mal wieder etwas mit unseren Händen. Winken zum Beispiel. Noch besser: Streicheln. Wir sollten uns aber erinnern: Die Hand die streichelt kann auch schlagen. Also belassen wir es beim streicheln. Na, und zum Popeln brauchen wir ja auch noch was. Einen Nasensteinentfernungsautomaten gibt es meines Wissens noch nicht! Habe ich hier eben eine Marktlücke entdeckt? Dann baue ich einen. Aber in Handarbeit.
Ihr Frank Hengstmann