Hengstmann & Johansen

Frank Hengstmann

Frank Hengstmann

Lars Johansen

Lars Johansen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein kabarettistisches Gespräch über 25 Jahre Vereinigung und den ganzen Rest durch eine Ost- und eine Westbrille und die gemeinsam entstandene.

F.H.    Ist die Einheit vollzogen, was denkst du?
L.J.    Für mich ja, ich fühl mich einheitlich. Wenn man wie ich rübergemacht hat von Gießen, ist die Einheit vollzogen. Du hast ja den umgekehrten Schritt nicht gewagt.
F.H.    Dann wäre ich dort im Auffanglager gelandet.
L.J.    Du hättest die große Karriere starten können: Wolf Biermann, Manfred Krug, Frank Hengstmann…
F.H.     Und Nina Hagen. Die ist ja der einzige Westler, die die Deutsche Demokratische Republik  je hervorgebracht hat.
L.J.     Und Angela Merkel.
F.H.     Das ist ja auch so ein Irrtum. Die ist doch bloß eine Zugereiste, die ist in Hamburg geboren. Wann bist du eigentlich hergekommen?
L.J.     1994, da war ja alles schon ausgebaut, es gab fließend Wasser und Strom.
F.H.    Wie bist du mit dem Menschenschlag in Magdeburg klar gekommen?
L.J.    Ich komme ja nicht aus Gießen, sondern aus Hannover und die Stadt und Magdeburg sind sich sehr ähnlich, sie haben sogar fast die gleiche Sprache, Hannover hat nur einen Vokal für alle Gelegenheiten. Und der Menschenschlag ist nach außen rauh, aber dahinter richtig warmherzig.
F.H.    Für mich war so kurz nach der Wende ein Faszinosum, dass sich auf einmal auch im Publikum  Fraktionen herausbildeten. Die einen lachten dann über die SPD-Witze und die anderen über die CDU. Witze über die SED waren zwar möglich, hatten aber Konsequenzen, die man so nicht tragen wollte. Ich denke aber, ich habe als DDR-Kabarettist dir gegenüber einen Vorteil, ich habe nämlich zwei Gesellschaftsordnungen bespielen müssen.
L.J.     Ist das wirklich ein Vorteil?
F.H.     Ja, uns kann man weniger was vormachen. Ich war ja auch vor der Wende Kabarettist. Ich sage immer scherzhaft, es war eine schöne Zeit. Man konnte ein Programm acht Jahre spielen, weil sich sowieso nichts änderte. Aber es war  auch ungeheuer schwer, du musstest quasi immer zwischen den Zeilen schreiben und es das Publikum alleine zuende denken lassen. Das war aber auch wesentlich spannender als heute, wo du alles sagen kannst.
Ich war ja nur acht Jahre DDR-Kabarettist, ich habe 1981 meinen Berufsausweis gekriegt. Und 25 Jahre Westkabarettist, nee das ist Blödsinn, gesamtdeutscher Kabarettist.
L.J.     Da wird es doch interessant, wie definiert man diesen Punkt. Was ist man dann? Ich habe auch Systemwechsel erlebt. Von sozial-liberal zu Helmut Kohl. Da waren wir dann gegen die Mittelstreckenraketen auf der Straße und die Polizei war damals auch im Westen nicht gerade liberal. Du wurdest auch ausgespäht. Anders, demokratischer, aber du hast gemerkt, die von dir gewählten Politiker mißtrauen dir. Es wäre falsch zu behaupten, es gäbe Ähnlichkeiten, aber es gab durchaus Parallelen.
F.H.     Als es den NATO-Doppelbeschluss gab, durften wir ja auch dagegen sein, aber eben immer nur gegen die Pershings und nicht gegen die russischen Raketen. Wenn du als Rocker in der DDR was werden wolltest, musstest du unbedingt ein Friedenslied schreiben. Dann wurdest du geadelt und durftest im Palast der Republik auftreten. Und die durften dann auch in den Westen.
L.J.     Da sagst du was, mein erstes Livekonzert, so mit 15, war tatsächlich KARAT im Leine-Domicil.
F.H.     Ich hatte nie den Wunsch die DDR zu verlassen, im Gegenteil, ich kann das jetzt auch öffentlich sagen, am 3. Oktober 1990 ist mir eine kleine Träne… Mein Vater war im Krieg dabei und der hat mich so erzogen: Nie wieder Krieg, Faschismus und Kapitalismus.
Wenn ich da 1989 von meiner Wohnung im Neustädter Feld aus die Schlange mit den Autos Richtung Westen gesehen habe, da wollte ich nicht mit… Ich bin dann im Juli 1990 rübergefahren zu meinem ersten Gastspiel, mit großem Erfolg, aber als ich zurückfahren wollte, gab es einen lauten Knall. Da hatte jemand ein zerbrochenes Bierglas unter mein Hinterrad geklemmt, um zu signalisieren, dass wir Ossis doch nicht so willkommen sind.
L.J.     Ich muss sagen, ich habe viel gelernt von den Kollegen hier.
F.H.     Wie siehst du denn nun die Zukunft des Kabaretts?
L.J.     Ich glaube ja, Kabarett hat Zukunft.  Jede Generation will sich artikulieren, vom Establishment abheben. Nur die Mittel ändern sich, aber auch Comedy oder Poetryslam enthalten ja kabarettistische Elemente.
F.H.     Die Ostkabarettisten sind sich ja einig, dass sich das politische Kabarett von der Tendenz her in der Diktatur wohler fühlt.
L.J.     Das glaube ich nicht. In der Diktatur hat es nur eine Ventilfunktion, in der Demokratie eine Korrektivfunktion. Kabarett will auch immer was verändern.
F.H.     Eine letzte Frage würde ich dir noch stellen: Wenn du nicht auf der Bühne bist, bist du ein gutes Publikum?
L.J.     Ich bin ein schwieriges Publikum. Ich will es ja eigentlich gut finden. Wenn jemand gut und witzig ist, lache ich mich tot. Aber wenn ich sehe, dass es schlecht oder geklaut ist, dann beiße ich auf irgendwas drauf, und bin sauer.
F.H.     Bei mir ist es so, ich bin furchtbar neidisch, dass ich unten sitzen muss. Ich hab mich nur einmal richtig fallen lassen können, als Dieter Hildebrandt in der Zwickmühle war. Das war einfach genial.