Der große deutsche Mime Curd Jürgens ließ anlässlich eines runden Geburtstages seine Fangemeinde mit einem sehr gekonnten Sprechgesang wissen: „60 Jahre – und kein bisschen weise!“ Seine stahlblauen Augen sprühten quasi vor Lebenserfahrung. Doch konnte man in seinem Blick auch lesen: „Ich? 60 Jahre alt?“ Nur für zwei bis drei Sekunden schloss er in diesem Moment seine Augen und schüttelte behäbig sein weißes, weises Haupt. Das kann nicht sein! Mit 60 ist man doch alt. Uralt!
Zwei bis drei Jahre später behauptete aber ein anderer Jürgens, nämlich Udo, mit dem Lied: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ etwas ganz anderes. Da ich nun im diesem Jahr ebenfalls in den Zirkel der 60er aufgenommen wurde, tendiere ich gefühlsmäßig eher dazu, dass mein Leben erst in sechs Jahren so richtig beginnt. Ich fühle mich zu jung, um wirklich alt zu sein. Gut, das tägliche Leben hat auch mir schon das eine oder andere Zeichen gesendet. Aber auch schütteres Haupthaar kann durch gute Pflege wieder fast voll auf dem Kopf auf andere wirken lassen. Der leichte Bauchansatz lässt sich, mit einem weitgeschnittenen Hemd über der Hose getragen, problemlos kaschieren. Wie sprach einst zu recht der Dichter: „Wie’s drunter aussieht, geht niemanden was an“. Auch bei der Wahl dieser Hemden achte ich darauf, dass die jugendlich machende Note meinen Kampf gegen das älter Aussehen unterstützt. So trage ich gern diese kunstvoll kreativ bestickten Motiv-Nickis von Davids Zeltplatz. Wohl besser bekannt als: Camp David. Dazu noch die weißgefleckten Jeans des gleichen Levels. Und natürlich weiße Markenturnschuhe. Dann schaue in den Ganzkörperspiegel und sage: Ja! Bleibe aber trotzdem stark und untersage mir einen spontanen Besuch in einem Techno-Schuppen. Nicht, dass ich Angst hätte ausgelacht zu werden. Nein. Ich mag diese Musik nicht. Ja, so können also Äußerlichkeiten einem helfen, sich mit dem natürlichen Alterungsprozess auseinander zu setzen. Doch wenn man sich zu weit auseinander setzt, kann es passieren, dass man den Kontakt verliert. Also zur Realität. Bunte Hemdchen, schon vor dem Kauf zerschlissene Nietenhosen und schicke weiße Rennsemmeln halten ihn nicht auf. Den Prozess. Den des Alterns. Man kokettiert mit sich und seiner Umwelt und merkt nicht so richtig, dass man sich eigentlich nur voll zum „Heinz“ macht. Das wäre also die eine Facette, die uns bewusst werden lässt: Die Jugend geht. Das Alter kommt. So spricht man sich selbst beruhigend metaphorisch vom „Goldenen Herbst“ des Lebens den man nun durchschreitet.
Was aber, wenn man sich den Eintritt zum Durchschreiten gar nicht leisten kann? Ich beginne mir langsam Sorgen zu machen. Nein! Nicht so sehr um mich. Mehr um meine Rente. Die alles entscheidende Grundfrage ist doch: Weiß denn meine Rente überhaupt, dass es mich gibt?
Das Wort „Rentnerschwemme“ war Unwort des Jahres 1996. 2020 wird das Unwort des Jahres einfach nur „Rentner“ sein. So wie man früher zu einem dunkelhäutigen Menschen respektlos „Neger“ gesagt hat, wird man zu uns Alten verachtungsvoll „Rentner“ sagen. Man wird uns auf der Straße straffrei anspucken können. Die Jungen werden den RCCC, also den „Rentner-Cu-Clux-Clan“ gründen und uns zum Oktoberfest zur Gaudi aller teeren und federn. Nach dem Motto: Wir Rentner brennen für den Sozialstaat. Ja, wir Rentner in Deutschland werden zur größten Belastung des vermeintlich noch existierenden Sozialstaates. Dagegen ist der momentane Flüchtlingsstrom nur eine Klassenfahrt.
Wir werden mehr als 20 Millionen Rentner sein und fressen den Jungen die Steuergelder weg. Das ist keine Statistik. Das wird sich als Realität herausstellen. Statistik aber ist: Heutzutage kommen auf 100 Erwerbstätige 44 Rentner. In 15 Jahren aber sind es schon 77 Rentner. Noch fünf Jahre weiter und das Verhältnis ist endlich ausgeglichen und zwar eins zu eins. Da wird jeder Erwerbstätige einen Rentner bei sich aufnehmen müssen, sich um ihn kümmern, damit der Rentner nicht verkümmert. Der Erwerbstätige wird wieder lernen müssen, wie man Windeln wechselt. Will er doch, dass man ihm im Alter das Gleiche tut. Das nenne ich dann den wahren Solidarpakt.
So möchte ich allen zurufen, die im Renten-Dschungel die Lianen nicht finden: Rente sich wer kann!