Udo Riedel ist als ego.-Pilot von Magdeburg Ansprechpartner für Gründerinnen und Gründer rund um Fragen zur Selbstständigkeit. MAGDEBURG KOMPAKT sprach im Vorfeld der Gründerwoche vom 14. bis 20. November mit ihm über Aufgaben, Erfahrungen sowie Trends und Voraussetzungen fürs Gründungsgelingen.
Was tut ein ego.-Pilot? Warum „ego”? Udo Riedel: Es hat nichts mit dem Ego als solchem zu tun, sondern steht als Abkürzung für Existenzgründeroffensive. Das ist in Sachsen-Anhalt die Dachmarke, unter der seit zwölf Jahren Förderprogramme zusammengefasst werden, die sich um das Thema Gründen drehen. ego.-Pilot ist ein spezielles Förderprogramm, um einen zentralen Ansprechpartner für Menschen zu schaffen, die sich mit der Idee einer Gründung beschäftigen. Wir bieten individuelle Beratung und Orientierung, aber auch Unterstützung, um passende Förderprogramme zu finden. Deshalb sehe ich mich eher als Lotse denn als Pilot. Es geht darum, durch den Förderdschungel zu lotsen. Ich starte ja kein Flugzeug. Das macht im übertragenen Sinne ein Gründer. Unsere Aufgabe ist es, Interessenten zu helfen, in der Vorgründungsphase die aufkommenden Klippen und Hürden leichter zu nehmen und wir wollen dazu beizutragen, dass Interessierte fundierte Entscheidungen fällen können; bis dahin, ob sich jemand tatsächlich in die Selbstständigkeit wagt oder die Finger davon lässt.
Wie kann man für sich Klarheit finden? Dies erfordert einen Blick auf den rechtlichen Rahmen und die Frage, ob man selbst die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Treten an diesem Punkt bereits Hürden auf, z.B. die Meisterpflicht im Handwerk, und es stellt sich heraus, dass diese nur schwer überwunden werden können, dann nimmt der eine oder andere Abstand von seinem Vorhaben. Dies ist aber selten der Fall. Wir haben zwar in Deutschland eine relativ reglementierte Gesamtsituation für Gründer, aber es ist erstaunlicherweise so, dass im Bereich der Gründungsmöglichkeiten kaum irgendwelche Zulassungsbeschränkungen bestehen. Ein weiterer Punkt ist der Businessplan. Hierbei geht es darum, sich die notwendigen Schritte des jeweiligen Vorhabens bewusst zu machen, z.B. Aufbau und Bekanntmachung des Unternehmens, Kundengewinnung usw. Ein wichtiger Bestandteil ist der Finanzplan, mit dem man alles einmal so gut wie möglich durchkalkuliert, um zu sehen, ob die Idee auch finanziell funktionieren kann. Und da kommen viele Interessenten mit eher weniger realistischen Ideen an den Punkt, an dem sie feststellen, dass diese einfach keine wirtschaftlich tragfähigen Unternehmen bringen. Ich möchte stets, dass sich jeder der Herausforderung Businessplan selbst stellt und diesen nicht einfach von einem Unternehmensberater oder Steuerberater anfertigen lässt. Nur so kommt es zu einer intensiven Beschäftigung mit dem eigenen Vorhaben. Wir begleiten diesen Prozess und leisten bei Bedarf Hilfe bei der Erstellung. Wer selbst an den Punkt gelangt, an dem er merkt, dass die Idee nicht passt, der steht anders hinter seinem Entschluss als jemand, der etwas von außen gesagt bekommt. Es gibt jedoch genügend Beispiele, dass Hinweise nicht ernst genommen werden. Es wird dann trotzdem versucht, etwas durchzudrücken. In der Regel landet man dann auf der Nase.
Wofür dient der Businessplan noch, abgesehen von der persönlichen Entscheidungsgrundlage? Wenn sich Interessenten für ihr Vorhaben entscheiden, benötigen sie oft weitere Hilfe – sei es in Form einer Weiterbildung oder als finanzielle Unterstützung. Egal welche Art von Förderung man in Anspruch nehmen möchte, ein Businessplan ist für die Beantragung notwendig. Er muss bestimmte Grundvoraussetzungen erfüllen, was den Inhalt und die zugrundeliegenden Kalkulationen betrifft und durch eine sogenannte fachkundige Stelle, z.B. die IHK oder Handwerkskammer positiv bewertet werden. Weiterhin ist es auch sinnvoll, in gewissen Zeitabständen zu schauen, wie man ursprünglich geplant hatte und wie die tatsächliche Lage aussieht. Kam es zu größeren Abweichungen? Wenn ja, woran könnte das liegen? Habe ich mich nur verkalkuliert, weil ich von falschen Annahmen ausgegangen bin oder läuft vielleicht irgendetwas in die falsche Richtung?
Ein Gründer kommt mit einer guten Idee und einem ausgereiften Businessplan zu Ihnen, hat aber aufgrund mangelnder unternehmerischer Kompetenzen eine Hemmschwelle, sich in die Selbstständigkeit zu wagen. Wie können Sie da weiterhelfen? Gerade was die kaufmännische Seite angeht, gab es schon immer viele Fördermöglichkeiten. Bei einer Standardgründung mit Unternehmungen von Einzelpersonen, die in Sachsen-Anhalt aber auch bundesweit die Mehrheit bilden, haben wir es in der Regel mit Gründern zu tun, die fachlich gesehen sehr sattelfest sind, die sich ihr Vorhaben gut überlegt haben. Aber zu einer erfolgreichen Selbstständigkeit gehört auch der kaufmännische Part und da haben viele Gründer Defizite. Nicht jeder, der 10 bis 15 Jahre im Handwerksbetrieb gearbeitet hat und ein Top-Handwerker ist, war bisher mit Fragen der Buchhaltung, Auftragsgewinnung, Auftragsabarbeitung oder Angebotserstellung beschäftigt. Dafür gibt es diverse Weiterbildungsmöglichkeiten. Hier gibt es Programme, die sich mit ihrer Unterstützung an bestimmte Zielgruppen wenden, z.B. seit diesem Jahr das Servicebüro für Gründerinnen und Unternehmerinnen, wo durch individuelle Beratungen, Themenabende und Netzwerkmöglichkeiten der Grundstock für das notwendige fachliche Wissen gelegt wird. In der späteren Nachgründungsphase, wenn das Unternehmen als Vollerwerb läuft, gibt es über das Förderprogramm ego.-Wissen, über das wir als ego.-Piloten auch laufen, eine Nachgründungsqualifizierung, die 200 Stunden umfasst und die absoluten Schwerpunkte in den Bereichen Steuerrecht, Rechnungswesen und Marketing sowie die gesamten rechtlichen Grundlagen einer Selbstständigkeit beinhaltet. Der Kurs findet einmal pro Woche über jeweils 8 Stunden statt und die Teilnahme ist kostenfrei. Zudem erhalten die Gründer eine pauschale Aufwandsentschädigung für den Einnahmeverlust, den sie durch den Kursbesuch haben. Dieses Programm wird durch Landesmittel mit sehr starkem Rückgriff auch europäische Fördermittel aus dem europäischen Sozialfonds finanziert. Hier ist es mir einfach einmal wichtig zu betonen, dass die EU nicht nur Geld von Deutschland erhält, sondern dass auch ganz viel Geld nach Deutschland zurückfließt, z. B. in diese Gründerqualifizierungen hier in Sachsen-Anhalt.
Wer gründet eigentlich? Und wer gründet was? Haben Sie mittlerweile Trends erkannt? Am stärksten vertreten sind die Gründungen von Kleinunternehmen. In der Vergangenheit zeigen die Statistiken ein ausgewogenes Verhältnis von Gründerinnen und Gründern. Dabei ist es zwar so, dass mehr Männer Beratungsleistungen in Anspruch nehmen, aber in der Intensität, sprich in der Zeit der Betreuung liegen die Frauen deutlich vorn. Wenn ich die Beratungssituationen Revue passieren lasse, habe ich den Eindruck, dass Frauen tatsächlich anders gründen. Frauen sind eher bereit, Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um sich auf ihrem Weg Sicherheit zu verschaffen. Bei Männern ist es häufiger so, dass sie denken, sie kriegen das schon hin und holen sich nur einmal kurz Hilfe zur Orientierung. In der Vergangenheit war es oft so, dass ein Großteil der Gründungen von Personen erfolgte, die Leistungen von der Arbeitsagentur oder vom Jobcenter bezogen. Dieser Anteil umfasste etwa drei Viertel der Gründungsberatung, die ich als ego.-Pilot betreute. Mittlerweile hat sich das Bild gewandelt, zumindest hier in Magdeburg. Wir haben inzwischen eine Drittelaufteilung: Ein Drittel sind Leute, die Leis-tungen vom Jobcenter beziehen, ein Drittel Leute, die Arbeitslosengeld 1 bekommen, aber ein Drittel sind Leute, die voll im Berufsleben stehen. Sie überlegen, sich entweder in dem Bereich selbstständig zu machen, in dem sie bisher tätig waren, weil sie sich nicht mehr den Zwängen im Arbeitsleben aussetzen wollen oder sie planen eine Gründung in einem ganz anderen Bereich, z.B. mit einem Hobby, das sie bereits seit längerer Zeit betreiben. Diese Menschen sehen im Weiterlauf ihres aktuellen Berufslebens nicht mehr das erstrebenswerte Ziel und legen Wert darauf, in Zukunft etwas zu tun, was ihnen richtig viel Spaß macht. Diese Art von Gründungen waren in der Vergangenheit eher selten und ich vermute, der neue Trend hängt mit der positiven Entwicklung der wirtschaftlichen Gesamtsituation in den letzten Jahren zusammen. Es ist einfacher geworden, wieder in das Berufsleben zu starten – auch für jemanden, der den Weg in die Selbstständigkeit gehen will. Denn es ist natürlich leichter, diesen Schritt aus einer wirtschaftlich sicheren Situation heraus zu tun und nicht als Art „Notgründung“. Dieser Wandel ist positiv für die Gründerszene. Fachlich betrachtet, hat sich das Bild bei Kleinstgründungen nicht besonders verändert. Es gibt den handwerklichen Bereich, in dem sich vorrangig Männer tummeln und im Dienstleistungsbereich ergreifen eher Frauen die Initiative. Im Handwerk sind Gründungen etwas zurückgegangen. Zum einen hat das mit der Meisterpflicht zu tun und zum anderen mit einer gewissen Marktsättigung. Während wir in anderen Bereichen kaum rückläufige Zahlen verzeichnen, ist es insgesamt jedoch so, dass sowohl in Sachsen-Anhalt als auch deutschlandweit die Anzahl von Gründungen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Auch das hat mit der positiven wirtschaftlichen Lage zu tun, denn für viele ist die Selbstständigkeit nicht ein Ziel im Sinne der Selbstverwirklichung, sondern ein Mittel zur wirtschaftlichen Gestaltung der eigenen Zukunft. Und wenn da ein fester, besser bezahlter Job winkt, entscheiden sich natürlich viele für die aus ihren Augen sichere Variante.
Was sind unabhängig von den fachlichen Kompetenzen drei wichtige persönliche Voraussetzungen, um als Gründer erfolgreich zu starten? Man sollte ein gutes Maß an Objektivität mitbringen. Die eigene Situation in der Vorgründungsphase aber auch später möglichst neutral einzuschätzen, ist enorm wichtig. Nur so hat man die Möglichkeit, Fehlentwicklungen zu erkennen. Weiterhin sollte man eine sehr hohe Opferbereitschaft mitbringen. Für viele Gründer ist es der Normalfall, am Anfang den Gürtel deutlich enger schnallen zu müssen. So eine Durststrecke kann durchaus länger dauern. Eine Verzichtsbereitschaft muss daher auf jeden Fall da sein, sonst läuft man Gefahr, sich Sachen zu gönnen, die man sich nicht leisten kann und das geht im Endeffekt immer zu Lasten der Unternehmung.
Das persönliche Umfeld, in dem man lebt, ist ebenfalls ganz entscheidend. Hier sollte man sich frühzeitig die Sicherheit verschaffen, dass Familie und Freunde hinter dem Vorhaben stehen und einem den Rücken freihalten. In der Anfangsphase einer Selbstständigkeit muss der Gründer definitiv viel Zeit in den Aufbau des Unternehmens stecken und da geht viel Freizeit verloren – Zeit, die man normalerweise mit Familie oder Freunden verbracht hätte. Wenn daran private Bande zerbrechen und das Umfeld, das einem normalerweise Halt geben soll, wegfällt, dann bleibt das natürlich auch für das Unternehmen nicht ohne Auswirkungen. Leider habe ich es in der Beratung von Gründungsvorhaben oft miterlebt, dass der fehlende familiäre Rückhalt in vielen Fällen zum Scheitern des Unternehmens geführt hat. Menschen, mit denen man vernünftig zusammenleben will, einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen – frei nach dem Motto: Ich habe mir das jetzt überlegt und werde das tun – ist nicht die beste Idee. Mit Familie und Freunden an der Seite ist es deutlich leichter. Man hat den Kopf frei, um sich voll und ganz auf das Unternehmen zu konzentrieren und es dahin zu führen, dass es auf eigenen Füßen steht und man davon leben kann. Und wenn das funktioniert, hat man auch wieder mehr Zeit, sich familiären Verpflichtungen zuzuwenden oder Freundschaften zu pflegen. Fragen: Sandra Eichler