„Ich will noch einmal angreifen“

sport_anke-palmAnke Palm trumpft als Rettungsschwimmerin in der Weltspitze auf.

Von Norman Seidler

In der Dynamo Schwimmhalle Magdeburg herrscht Totenstille. Für einen kurzen Moment harren die Starter wie eingefroren aus, bevor das Startsignal ertönt. Sie stehen in Position und sind hoch konzentriert. „In diesem Moment sage ich zu mir selbst, dass ich hart und gut trainiert habe und genau das jetzt zeigen will“, erklärt Anke Palm. Die Freigabe erfolgt, der Zeitmesser rennt. Sprung vom Startblock in das weite Bec-ken. Sie ergänzt „Man muss an sich selbst glauben und das nötige Vertrauen in seine Fähigkeiten haben, denn der Kopf spielt eine große Rolle.“


Mit Gurtretter und Schwimmflossen geht es in der Disziplin 100-Meter-Retten (Lifesaver) 50 Meter im Freistil bis an das andere Beckenende, wo eine 50 bis 60 Kilogramm schwere Puppe im Wasser treibt. Die Schwimmer- und Schwimmerinnen legen den Gurtretter an dieser Wendemarke um die Puppe und ziehen sie zurück zum Startblock. Heute fallen die Bestmarken, Anke Palm wird  in ihren beiden Hauptstrecken und im Mehrkampf Landesmeisterin von Sachsen-Anhalt 2015.
Die 26-Jährige Magdeburgerin meisterte diese Pflichtveranstaltung auf dem Weg zur Europameisterschaft. Die Erfahrung gibt ihr viel Routine und Sicherheit. Bis zum Jahr 2003 war Palm Schwimmerin beim SC Magdeburg. Mit drei begann die Polizeikommissarin zu schwimmen. „Bereits im Alter von fünf Jahren begann ich, zwei Mal wöchentlich zu trainieren“, erinnert sie sich. „Meine Eltern waren auf der KJS (Kinder- und Jugendsportschule der DDR) für Schwimmen, genau wie meine beiden älteren Geschwister. Wir sind eine Sportlerfamilie.“ Während Bruder Nico und Schwester Sandra in der 7. Klasse aufhörten, zog Anke Palm weiter ihre Bahnen. 20 bis 30 Wettbewerbe im Jahr waren keine Seltenheit. Die Freizeit kam zu kurz, dafür wurde das harte Training und der hohe Leistungsdruck belohnt, weil die emsige Blondine zweifache Deutsche Jahrgangsmeisterin wurde. Sie sagt zwar: „Ich würde es genau so wieder machen“, aber unterstreicht auch: „Es gab den Punkt, an dem ich zu mir selbst sagte, dass ich diesen Druck nicht mehr haben möchte.“ 2003 war es so weit – Ausstieg beim Sportclub. Ein Jahr Pause folgte, dann ging es mit neuem Ehrgeiz zurück ins Wasser. Reizvoll schien es, bei der DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V.) einzusteigen. Das Rettungsschwimmen wurde für Anke Palm zur Leidenschaft, welche die Voraussetzungen durch das jahrelange harte Training beim SCM bestens erfüllte: „Mein damaliger DLRG-Trainer sprach mich an, ob ich Lust hätte, bei ein paar Staffeln mitzumachen. Für mich kehrte dadurch der Spaß am Wassersport zurück und ich wollte auch Einzelstrecken absolvieren. Ich kam aufgrund der Erfüllung der Vorgaben und durch mein hartes Training in die Juniorennationalmannschaft und es erwuchs in mir der   Ehrgeiz, in der offenen Nationalmannschaft schwimmen zu dürfen.“ Gesagt – getan. Die Erfolge blieben nicht aus. World Games Siegerin 2013 mit der Staffel, Weltmeisterin 2014 mit der Staffel bei den Interclubs, insgesamt fünf WM-Medaillen, darunter Gold. „Zwei deutsche Rekorde gab es auch auf meiner Einzelstrecke“, fügt sie hinzu. Das Rettungsschwimmen ist so reizvoll geworden, weil man hier „Schwimmhallendisziplinen und Freiwasserdisziplinen vereinen“ könne. „Die Technik mit den Materialien muss man lernen. Gerade zu Beginn hatte ich beispielsweise oft einen blutenden Knöchel, weil die Puppe immer dagegen schlug.“ Neben dem 100-Meter-Rettungsschwimmen absolviert die passionierte Kletterin ihre Hauptstrecke: 50-Meter-Mannequin (25 Meter kraulen und 25 Meter ziehen der Puppe). Weiterhin gehört als dritte Disziplin die 100 Meter kombinierte Rettungsübung dazu, bei der man 50 Meter krault, eine Rollwende vollzieht, 17,5 Meter taucht und dann die Puppe 32,5 Meter ins Ziel zieht.

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Ihr Studium zur Komissarin hat Anke Palm in diesem März erfolgreich beendet und arbeitet seither in Magdeburg in Schichten, obwohl sie seit 2010 für Halle (Saale) startet. Die Zeit um den Schichtdienst ist mit Trainingsplänen von Bundestrainerin Susanne Ehling gefüllt. Palm: „Wir arbeiten seit drei Jahren zusammen und ich versuche, die Pläne so gut es geht aus der Ferne umzusetzen.“ Mit der Ferne kennt sie sich aus, denn ihren Rettungsschwimmdienst absolvierte sie bis 2009 an der Ostsee im täglich zehnstündigen Wachdienst und sammelte eine Menge Erfahrung und Menschenkenntnis. Gefühlt hat Anke Palm wohl mehr Zeit im Wasser als an der Luft verbracht. Mit 26 Jahren kommt sie da schon einmal ins Grübeln und überlegt, was passiert, wenn es nicht mehr für das Nationalteam oder die Spitzenzeiten reicht. „Ich setze mir immer wieder neue Ziele. Und genau deshalb will ich noch mal angreifen und den Europarekord knacken. So lange es geht, möchte ich meine sportlichen Ziele verfolgen.“ In diesem Jahr wird das die Europameisterschaft in Wales sein, doch dafür gilt es zunächst, sich zu qualifizieren.