Mit besonderem Nachdruck unterstreicht Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Integration von Flüchtlingen eine unserer vorrangigen Aufgaben sei. Sie weiß, wovon sie redet. Sprachkurse stehen an erster Stelle. Defizite der Vergangenheit sollen sich nicht wiederholen. Viele der damaligen Zuzügler zogen sich in sogenannte Parallelgesellschaften zurück, vorrangig Menschen mit muslimischem Kulturhintergrund.
Wahrscheinlich hatte es ihnen weniger am Willen zur Integration gefehlt, vielleicht fehlte eher die deutsche Bereitschaft, sie aus ihren Rückzugsgebieten abzuholen und sie in die deutsche Sprache und Kultur mitzunehmen. Genau von diesem Vermögen hängt es heute ab, wenn die Beteuerung „Wir schaffen das!“ nicht eben nur ein vom Prinzip Hoffnung getragener Vorsatz bleiben soll. Natürlich müssen für die Integration der Einwanderer die materiellen Voraussetzungen reichen. Menschen, die in Massenunterkünften leben, werden sich schwerlich integrieren lassen. Verfügen wir wirklich über den nötigen Wohnraum? Haben wir im Land der fehlenden Fachkräfte die pädagogisch und sozial geschulten Leute, die den Flüchtlingen nicht nur unsere Sprache und Kultur, sondern auch unseren deutschen Alltag nahebringen? Ein Leben, das ganz anders wie das ihre bis in den letzten Lebenswinkel hinein geregelt ist. Jeder, der für in Not Geratene sein Herz schlagen spürt, ist aufgerufen, dabei mitzuhelfen. Mit Sachspenden und Willkommensrufen allein wird das alles nicht funktionieren.
Die größte Herausforderung bei Integration ist nicht der Job und die Unterkunft, sondern das Einschwingen auf unsere Einstellungen und Werte. Europa begreift sich seit mehr als 250 Jahren im Prozess der Aufklärung und einer fortschreitenden Säkularisierung. Unser heutiges Wertegerüst errichtete sich unter tiefgreifenden Verwerfungen, zähen Debatten und nicht zuletzt auch unter schmerzlichen Auseinandersetzungen. Soll Integration gelingen, kann das nicht einfach nur von Herzlichkeit und guten Vorsätzen getragen sein. Geduld und Gelassenheit sind vonnöten, Überzeugungskraft ohne besserwisserische Belehrung und aufdringliche Vorbildwirkung. Menschen, die wegen ihrer kulturhistorischen Tradition und Sozialisation größte Probleme haben, das geistige Wertefundament der deutschen und europäischen Gesellschaft zu durchschauen, müssen verstehen und akzeptieren lernen, dass der weithin leuchtende Schein unserer Kultur und unserer wirtschaftlichen Erfolge vorrangig auf eben diesem Schatz baut, dem der Aufklärung. Deren Vermittlung ist die vielleicht größte Aufgabe, vor der Deutschland heute steht. Nur auf diesem Boden kann eine Vielfalt von individuellen Lebensentwürfen und weltanschaulichen Konzepten gedeihen und blühen. Es scheint, als würden wichtige Einwände zur Hege dieses kulturellen Bodens unter euphorischen Willkommensrufen überhört werden.
Thomas Wischnewski