Kreativität und kulturelle Bildung in späteren Lebensphasen. Von Elisabeth Napiontek
Je älter die Geige, desto süßer der Ton.“ Was uns das alte irische Sprichwort aus dem Titel damit sagen will, kann sicher in vielerlei Hinsicht interpretiert werden. Aber fernab von polemischen Aussagen wie „je oller, desto doller“ gibt es doch schöpferi-sche Potenziale älterer Menschen, die dem Begriff der Kreativität eine Bedeutung geben, welche sich über künstlerische Aktivitäten hinaus erstreckt. Zunächst ist notwendiger Weise zu beachten, dass Kreativität keinesfalls gleichzusetzen ist mit Talent oder Produktivität. Auch wenn diese in einer eher leistungsorientierten Gesellschaft im Vordergrund steht und nur dann wahrgenommen wird, wenn auch der älteste Mensch noch möglichst einem Ehrenamt nachgeht, um vom sozialen Umfeld als produktiv oder sogar gesellschaftlich nützlich wahrgenommen zu werden, so gibt es doch eine Form der Produktivität, die sich auch darin äußert, emotio-nal involviert und glücklich zu sein. Ob man nun mit 60 Jahren zu den sogenannten „Jungen Alten“ oder zu den „Hochaltrigen“ ab ungefähr 80 Jahren zählt, spielt dabei zudem eine eher untergeordnete Rolle.
Im Laufe des Lebens sammelt der Mensch Erfahrungen und eignet sich neues Wis-sen an. Jede Lebensphase gestaltet sich aus dem zuvor Erlebten und führt zu einer Veränderung der Lebensgestaltung, die ein hohes Maß an Kreativität erfordert. Da-her ist die Annahme COHENS, dass die Kreativität im Alter zunimmt, da sie sich aus dem angesammelten Wissen und den verschiedenen Dimensionen der Erfahrungen speist, durchaus schlüssig. Der Wunsch nach Entfaltung im Alter hat dann einen be-sonderen Stellenwert, wenn dies in den vorangegangenen Lebensphasen nicht möglich war oder durch äußere Einflüsse verwehrt wurde. Kunst und Kultur können dabei dienlich sein und bieten die Möglichkeit, Sachverhalte zu thematisieren ohne dafür Konsequenzen zu erwarten. Schließlich lässt der Ausdruck durch künstlerische Mittel einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Wie DOW sagte, kann Kunst eine Stimme verleihen und ein kraftvolles Mittel des Ausdrucks sein. Damit gibt sie nicht nur die Möglichkeit etwas zu sagen, sie zeigt zeitgleich einen Weg auf, dieses zu tun. Daher zeichnet sich kulturelle Bildung mittlerweile nicht mehr nur allein dadurch aus, dass Menschen kulturelle Angebote rezipieren. Vielmehr trägt die selbsttätig-kreative Partizipation dazu bei, Menschen zu erreichen und sie tatsächlich an Kunst und Kultur teilhaben zu lassen, indem sie diese selbst erschaffen. Ein Gleichgewicht zwischen beiden Optionen ist von Nöten. Als wichtig wird dabei die Zugänglichkeit zu kulturellen Angeboten angesehen und zwar unabhängig der zugrunde liegenden psychosozialen Faktoren. Ein chancenreicher Zugang kann durch spezielle Angebote in sogenannten „kreALTiv“-Labors geschaffen werden und damit aufzeigen, dass schöpferische Ressourcen auch – oder erst recht – mit zunehmendem Alter vorhanden sind.
Elisabeth Juliana Napiontek, Studium an der Hochschule Magdeburg-Stendal im Bachelorstudiengang „Soziale Arbeit“. Masterstudium „Soziale Dienste in der alternden Gesellschaft“. Dozentin für Soziologie & Gerontologie für die Fachschaften Altenpflege und Ergotherapie. Fachpraxisverantwortliche für die Fachschaft Sozialpädagogik.