Peter Fechner, Präsident des 1.FC Magdeburg, erläutert im Interview mit MAGDEBURG KOMPAKT die Gründe für den Aufschwung beim Fußball-Drittligisten.
MAGDEBURG KOMPAKT: Das Team hat einen Traumstart hingelegt, mischt als Aufsteiger die dritte Liga regelrecht auf, die Zuschauerzahlen explodieren, eine ganze Region schwebt in einem blau-weißen Taumel …
– es hat wahrscheinlich kaum einen günstigeren Zeitpunkt als den jetzigen für ein Interview gegeben, um einem tiefenentspannten Präsidenten gegenüberzusitzen. Täuscht der Eindruck?
Peter Fechner: Ja und nein. Es ist richtig, dass nach dem Aufstieg eine riesige Last von allen abgefallen ist. Blau-Weiß ist nach 25 Jahren im Profifußball angekommen. Ich konnte den Satz, dass der FCM immer dann versagt, wenn es darauf ankommt, schon nicht mehr hören. Da war vom St.-Pauli-Syndrom die Rede (als der FCM 2007 den Aufstieg in Liga zwei schon in der Tasche zu haben schien und dann zu Hause am FC St. Pauli scheiterte, d. Red.), von einem Heimspiel-Syndrom, vom Meuselwitz-Syndrom. Und so weiter. Ich konnte es wirklich nicht mehr hören. Da tat der Aufstieg schon gut.
Und worauf bezieht sich das Nein?
Wer denkt, wir könnten jetzt, weil wir unser Ziel erreicht haben, beruhigt die Hände in den Schoß legen, total entspannt der Zukunft entgegensehen, der irrt. Zum einen sind die derzeitigen sportlichen Erfolge kein Selbstläufer, da muss weiter hart gearbeitet werden. Auf allen Ebenen. Zum anderen befinden wir uns mit dem Klub in einer Phase, wo die Strukturen neu definiert werden müssen. Da stehen vor den Leitungsgremien, Präsidium und Aufsichtsrat, gewaltige Aufgaben.
Sie spielen auf die avisierte Ausgliederung der Profimannschaft aus dem Gesamtverein an?
Das steht ganz obenan. Es ist aus meiner Sicht ein zwingend notwendiger Schritt.
Warum ist das so essentiell für Sie?
Die Profiabteilung soll in die eigenständige Gesellschaft, die Stadion- und Sportmarketing GmbH (SSG), ausgegliedert werden, um, kurz gesagt, die Ausgaben für den Profibereich den Ennahmen aus Sponsoring und Ticketing zuzuordnen und damit die Gemeinnützigkeit des Gesamtvereins nicht zu gefährden. Das ist der übergreifende Gedanke, der sich hinter allem verbirgt. Und der uns in diesen Tagen und Wochen sozusagen auf Trab hält. Denn durch den Aufstieg in den Profibereich geht es bei Gehältern, Sicherheitsaufwendungen, Sponsoring und Ticketing künftig um ganz andere Summen, die eben die Gemeinnützigkeit in Gefahr bringen könnten. Außerdem ist die Umlagerung der ersten Mannschaft in eine eigene Gesellschaft – die bei uns mit der SSG ja sogar schon besteht – ein wichtiger Schritt, um als Verein möglichst nie wieder in Insolvenzgefahr zu geraten.
Trotzdem konnte man in den letzten Wochen den Eindruck gewinnen, dass ein Teil der Anhängerschaft diesen Schritt mit Argwohn betrachtet, ihn nicht mitgehen möchte. Ihrem Präsidium schlägt ziemlicher Gegenwind entgegen.
So extrem würde ich das nicht sehen. Wichtig ist, wir möchten auf diesen Weg alle Fans mitnehmen. Das kann nicht im stillen Kämmerlein entschieden werden. Deshalb haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet, in der auch drei Vertreter der Fans mitarbeiten. Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Fans über alle wichtigen Schritte informiert sein müssen. Ihre Bedenken nehmen wir ernst und wollen sie mit ihnen diskutieren. Deshalb haben wir für Anfang des Jahres auch eine außerordentliche Mitgliederversammlung vorgesehen, auf der alle Fragen der Ausgliederung erörtert werden sollen.
Stichwort Fans. Über den FCM zu reden ist unmöglich ohne seine fantastischen Anhänger anzusprechen.
Das sehe ich ebenfalls so. Ohne diese tiefe Liebe der Fans zu ihrem Verein, ohne die Verbundenheit einer ganzen Region mit dem FCM wäre das Erreichte nicht möglich gewesen. Diese Sehnsucht, den Klub erfolgreich zu sehen, hat es stets gegeben. Das war auch einer der Gründe, weshalb ich hier 2011 Verantwortung übernommen habe. Ich wollte mich einbringen, diese Sehnsüchte eines Tages zu erfüllen. Als wir mit dem Team nach dem Aufstieg dann auf dem Rathausbalkon standen und man in die zehntausend glücklichen Gesichter da unten blicken konnte, war das ein schöner Lohn für all das Getane. Diesen Augenblick werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Man konnte das Glück regelrecht aufsaugen. Doch der Erfolg geht eigentlich noch darüber hinaus.
Wie meinen Sie das?
Ich glaube zu spüren, dass der Aufstiegserfolg auch positiv auf die Gesellschaft ausstrahlt. Er gibt vielen Menschen, das ist zumindest meine Beobachtung, einfach Selbstbewusstsein. Wo man auch hinkommt, ob im Geschäft, in privater Gesellschaft, im Baumarkt – überall wird man darauf angesprochen.
Zu DDR-Zeiten kursierte der Satz, wonach Erfolge (beziehungsweise Niederlagen) der Fußballer sogar die Arbeitsproduktivität in den Betrieben beeinflusst hätten.
So weit würde ich zwar nicht gehen, aber in den Sinn gekommen ist mir dieser Satz in den Tagen nach dem Aufstieg doch irgendwie schon …
Zurück zu den nüchternen Zahlen. Der Verein hat für Liga drei mit einem Zuschauerschnitt von 10.700 geplant. Jetzt liegen sie als Aufsteiger bei etwas über 18.000, dem nach Dresden zweitbesten Zuspruch der gesamten Liga. Erklären Sie uns bitte dieses Phänomen.
Wir haben zwar, wie immer, konservativ geplant, wurden dann aber doch, das muss ich zugeben, von dem Zuspruch regelrecht überrascht. Wenn wir vor drei Jahren mit einer Kalkulation von gut 10.000 gekommen wären, hätte man uns wahrscheinlich rausgeschmissen… Die 18.000 Besucher zeigen auf andere Weise erneut die Sehnsucht einer ganzen Region nach höherklassigem Fußball. Die Grundlage für die große Resonanz in der MDCC-Arena bildete jedoch die Tatsache, das wollen wir nicht vergessen, dass sich die Jungs auf dem Platz über Erwarten gut schlagen. Auch wenn die Mannschaft vorwiegend über den Kampf kommt, hat sich doch bewiesen, inzwischen auch spielerisch mithalten zu können. Das wiederum gibt neues Selbstbewusstsein.
Und mit Trainer Jens Härtel haben Sie vor eineinhalb Jahren quasi den Vater des Erfolges verpflichtet. Ein Glücksfall?
Ja, ich denke, Härtel ist das Beste, was uns auf dieser Position passieren konnte. Als Mario Kallnik als sportlich Verantwortlicher im Präsidium ihn mir seinerzeit als Trainer vorgeschlagen hat, habe ich ohne zu zögern sofort zugestimmt. Ich hatte ihn bereits seit meinem Amtsantritt 2011 auf dem Schirm, habe seinen Weg verfolgt, aber direkt auf ihn zugegangen sind wir damals nicht. Es passte halt nicht. Heute sind wir froh, ihn zu haben. Insofern ist das Wort vom Glücksgriff passend. Was mich an ihn begeistert: Er bereitet die Mannschaft stets akribisch auf den jeweiligen Gegner vor, ist ein ausgemachter Taktikfuchs. Und er gibt den Spielern das Gefühl, nicht nach Namen und Sympathien aufzustellen. Bei ihm geht es nur nach Leistung. Und das wiederum honorieren die Spieler.
Taktisches Geschick des Trainers und die Leistungen der Spieler haben dazu geführt, dass der FCM sich in der Tabelle oben festgesetzt hat. Wo soll und wo kann die Reise in dieser Saison noch hingehen?
Wir hatten ja einen Drei-Jahres-Plan, an dessen Ende eigentlich erst der Aufstieg in die dritte Liga stehen sollte. Das haben wir nun gleich im ersten Jahr geschafft. Nun kann es für uns nur darum gehen, den FCM fest im Profifußball zu etablieren. Das wird schwer genug. Meist ist es doch so, dass Neulinge ein gutes erstes Jahr oder zumindest eine gute erste Halbserie haben. Sie profitieren davon, dass die Gegner sie noch nicht so gut kennen, sie unterschätzen. Die Rückrunde wird für uns deshalb entscheidend sein. Wir wollen unseren jetzigen guten Lauf jedenfalls nutzen, um so viele Punkte wie möglich einzufahren, um eine spätere eventuelle Durststrecke gut überstehen zu können. Wichtig ist, Abstand zu den Abstiegsplätzen zu halten und nicht unter Druck zu geraten. Denn ohne den Druck, immer nach unten schielen zu müssen, kann das Team viel befreiter aufspielen.
Nun stapeln Sie aber tief. Es gibt nicht wenige im Umfeld, die mit einem Relegationsplatz spekulieren und sogar von einem Durchmarsch in die zweite Liga träumen.
Zu denen gehöre ich nicht. Die gegenwärtige Tabelle ist nur eine Momentaufnahme. Wir müssen verantwortlich und mit Augenmaß handeln. Und in dieser Liga ist alles möglich. Nicht nur nach oben, sondern auch nach unten. Ein Durchmarsch wie ihn Darmstadt geschafft hat, ist die absolute Ausnahme und für uns kein Leitbild.
Alljährlich muss der FCM, wie alle anderen Klubs auch, beim Deutschen Fußballbund (DFB) Unterlagen für eine neue Lizenz einreichen. Auch wenn Sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren werden: Bei der augenblicklichen sportlichen Situation wäre es doch geradezu fahrlässig, dies nicht auch für die zweite Liga zu tun. Es würde Ihnen kein Fan verzeihen, sollte der Mannschaft tatsächlich das Wunder des Durchmarschs in Liga zwei gelingen – und dann hieße es, ätsch, wir haben gar keinen Antrag gestellt.
Richtig ist, wir reichen auf jeden Fall Unterlagen für die dritte Liga ein. Alles andere ist für mich derzeit wirklich Zukunftsmusik. Und zudem abhängig von der Gesamtentwicklung des Vereins und von der Entscheidung der Gremien. Richtig ist allerdings auch, dass wir als Klubführung unsere Hausaufgaben ordentlich machen müssen …
Zurück zu den Strukturen. Ab Januar 2016 wird der FCM mit Mario Kallnik einen bezahlten Manager haben, er wird der SSG vorstehen. Wie wird sich dann das Gefüge zwischen Ehrenamt, also Präsidium und Aufsichtsrat, und dem Hauptamt gestalten?
Wir brauchen einen derartigen Manager. In der dritten Liga ist ein Verein allein mit dem Ehrenamt nicht mehr zu führen. Wir brauchen einen starken Mann fürs Hauptamt. Ich schätze an Mario Kallnik dessen Geradlinigkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Er ist konstruktiv und stark zielorientiert. Es bedarf schon guter Argumente, wenn man ihn von anderen Positionen überzeugen will. Er hat ein klares Konzept, wohin der Weg des Vereins führen soll. Er setzt zusammen mit dem Trainer vor allem auf junge, unverbrauchte Spieler für die dritte Liga. Deshalb wollen wir Leuten aus dem eigenen Nachwuchszentrum auch eine feste Perspektive geben.
Apropos Perspektive. Vor einigen Tagen hat der Aufsichtsrat des FCM Sie für weitere drei Jahre zum Präsidenten berufen. Wie gehen Sie an diese Aufgabe heran?
Es gehört zu meinen Prinzipien, eine Sache, die ich angefangen habe, auch zu Ende zu führen. Es gehört auch zu den Erfolgen der zurückliegenden Jahre, dass wir die finanziellen Probleme, die noch aus der Insolvenz (im Jahr 2002, d. Red.) herrührten, lösen konnten. Der Grobschliff ist getan, nun kommt der Feinschliff. Es geht vor allem darum, weiter konsequent daran zu arbeiten, um jene Bedingungen zu schaffen, die die Existenz des FCM dauerhaft sichern.
Abschließend ganz kurz: Wo steht der FCM in fünf Jahren?
Auf jeden Fall noch im Profifußball.
So leicht kommen Sie nicht davon.
(überlegt kurz) Ich wünsche mir, dass wir mehr schaffen als wir derzeit schon erreicht haben.