Ein Unglück kommt selten allein … manche Tage gleichen dem berühmten Griff ins Klo … immer geht etwas schief. Eine kleine Philosophie des Pechs.
Im Leben kann alles Mögliche schief gehen. Sicher, sonst wäre es nicht das Leben. Pleiten, Pech und Pannen, Ungeschick, Mieseren, Fehltritte, Blamagen
– ein Dilemma kann viele Namen tragen, und es kann in jeder Situation so plötzlich auftauchen, als würde es vom Himmel fallen. Doch passiert ein Schlamassel eher schicksalhaft oder steckt dahinter mehr selbst gemachtes Leid? Allein, dass man einem Missgeschick einen abstrakten Namen wie Pech gibt, zeugt davon, dass man einen Reinfall gern außerhalb der eigenen Person sehen möchte. Alles, was misslingt, sollte besser mit Umständen zu tun haben, die nicht in unserer Macht liegen. Das lässt ein noch so kleines Desaster erträglicher erscheinen.
Am 1. April werden Tausende mit verführenden Scherzen an der Nase herumgeführt. Wer auf einen Spaß hereingefallen ist, hat Pech gehabt oder hat eben die Finte des Fallenstellers einfach nicht durchschaut. Man kann stolpern, danebenfassen, kein Glück im Spiel haben oder sogar in der Partnerschaft ein Debakel erleben. Pech gehabt. So lautet der Schluss und man spricht sich vom Anteil eigener Verantwortung frei. Man sollte nie vergessen, dass es immer die Politessen waren, die das Auto im Parkverbot abgestellt hatten. Pech gehabt. Schon klebt selbiges an der Windschutzscheibe.
Noch schlimmer ist es, wenn man in einer Pechsträhne steckt. Oder denken wir an Murphys Gesetz: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Was bedeutet diese Unausweichlichkeit? Kann man dem Übel wirklich nicht entkommen? Im Prinzip nicht. Denn gewissermaßen muss es zunächst stets einen Beteiligten geben, der überhaupt in der Lage ist festzustellen, dass er in einer Patsche sitzt. Jeder fordert das Glück heraus, wenn er Lotto spielt. Und jeder weiß, die Gewinnchance auf einen Sechser ist extrem gering. Der Ärger über eine Niete ist hausgemacht. Wir sind es, die Risiken eingehen, weil wir darauf hoffen, daraus einen Vorteil zu erhalten. Geht am Ende das Unterfangen daneben, ist der Jammer meistens groß.
Doch wie verhält es sich mit einem Übel in Situationen, auf deren Ablauf man vermeintlich keinen Einfluss hatte? Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass jedes Geschehen viel komplexer ist, als wir das insgesamt überschauen könnten. Noch nicht einmal die eigenen physischen und psychischen Fähigkeiten können wir bis ins kleinste Detail überschauen. Konzentrationsmängel, Wahrnehmungsdefizite, fehlende motorische Geschicklichkeit, Überschätzen des eigenen Könnens – solche Phänome beeinflussen alles. Aber auch technische Systeme haben ihre Tücken. Nur verlässt sich jeder gern darauf, dass Technik ihre bekannte Funktionalität immerfort gewährleisten kann. Je komplexer ein Aufbau, um so anfälliger ist das Konstrukt fürs Versagen oder zumindest kleinere Ausfälle. Unsere Alltagserfahrungen sind davon geprägt, dass die Mehrheit aller Handlungen gelingen, dass Autos oder andere Lebensbegleiter selten von jetzt auf sofort den Dienst versagen. Positive Ereignisse sind quasi selbstverständlich und fallen deshalb weniger auf.
Fehlschläge rücken also deshalb in den Vordergrund, weil sie aus den funktionierenden Abläufen herausragen. Wiederholen sich ganz bestimmte Unglücksmomente am selben Ort zu ähnlichen Zeiten oder mit denselben Beiteiligten, ist man schnell dabei, mystische Erklärungen zu bemühen.
Pech klebt an allem. Es gehört zum Leben wie Glück und Gelingen. Wer einen Fehler macht, dem passiert kurz darauf der nächste. Die Verkettung baut nicht selten auf die selbst erzeugte Aufregung über den ersten Fehler. Perfektion gibt es nicht. Das begreift zwar jeder, dennoch ist schwer, die eigene Unvollkommenheit einsehen zu wollen. Wer mit den typischen Ungeschicklichkeiten und der Fehlbarkeit menschlichen Seins umzugehen versteht, kommt auch leichter über die kleinen und großen Katastrophen im Leben hinweg. Die größte Rolle spielt dabei nämlich, wie man das Pech bewertet. Erst die Besetzung mit schweren negativen Beschreibungen zum eigenen Fiasko macht die Sache erst zum unausweichlichen Schicksalsschlag. Pech kann oft ein selbst erzeugter Irrtum sein. Wer Missgeschicke weniger schwer aufwiegt, kommt häufiger leichter durchs Leben und hat meistens seltener Pech.
Thomas Wischnewski