Liebe öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, nun mag man ja vom Seehofer Horst halten, was man will – und das muss auch gar nicht so viel sein. Aber mit seiner vor einigen Tagen geäußerten Forderung, ARD und ZDF zu einer öffentlich-rechtlichen Großanstalt zusammenzulegen, hat der CSU-Chef ein Thema in den Fokus gerückt, das zwar nicht neu, dessen nähere Betrachtung jedoch zwingend notwendig ist. Die Gründe für seinen Vorstoß mögen auch nicht die sympathischsten sein. Wenn man allerdings bedenkt, dass einige CSU-Mitglieder schon längst vergessen haben, wofür C und S in ihrem Partei-Kürzel stehen, ist das nicht verwunderlich. Passt es doch wunderbar in das rechtspopulistische Gefasel der vergangenen Wochen – auch die AfD fordert schließlich die Auflösung der Rundfunkanstalten und die Einführung eines steuerfinanzierten Staatssenders. Da kann sich der Seehofer Horst doch getrost ein wenig am rechten Rand umschauen und die Unzufriedenheit des TV-Publikums über die nach seiner Meinung einseitige Berichterstattung von ARD und ZDF in puncto Flüchtlingssituation für sich nutzen. Kann schließlich nicht schaden, sich auf diese Weise ein paar Stimmen zu sichern, knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl. Lässt man die Absichten des bayrischen Politikers jedoch beiseite und konzentriert sich auf das Wesentliche, kann man feststellen, dass der Seehofer Horst mit seiner Forderung auch nicht ganz falsch liegt. Eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist dringend notwendig. Schließlich stammen die Gründe, solch ein Angebot zu schaffen, aus grauer Vorzeit – im wahrsten Sinne des Wortes –, als sich das Farbfernsehen noch nicht durchgesetzt hatte. Es gab bedingt durch die technologische Situation nur wenige Sender. Die Angst, es könne sich durch die geringe Senderzahl ein Meinungsmonopol bilden, war dementsprechend groß. Also wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit dem gesetzlichen Auftrag ausgestattet, mit seinen Programmen vor allem der Information, Bildung und Beratung, aber auch der Unterhaltung zu dienen – festgelegt in den Landesrundfunkgesetzen und im Rundfunkstaatsvertrag.
Betrachtet man jedoch die heutige Situation, lässt sich unschwer erkennen, dass die technologischen Möglichkeiten ein ausgedehntes, vielfältiges Programmangebot zulassen. Was sich allerdings bei ARD und ZDF in all den Jahren entwickelt hat, sind aufgeblähte Doppelstrukturen, deren Finanzierung und Sinnhaftigkeit infrage gestellt werden müssen. Denn – ganz im Ernst – bekommt derjenige, der sich 19 Uhr „heute“, 19.30 Uhr „MDR aktuell“ und 20 Uhr die „Tagesschau“ ansieht, tatsächlich journalistische Vielfalt geboten? Differieren die Inhalte der Nachrichtensendungen so stark? Eher nicht. Kennste eine, kennste alle – es sei denn, in der Zwischenzeit passiert etwas… Natürlich habe ich als Zuschauer die Möglichkeit, beispielsweise bei dem sogenannten Ereignis-, Politik- und Dokumentationskanal phoenix zusätzliche und ausführlichere Informationen zu erhaschen. Doch dass bei den dritten Programmen jeder einzelne regionale Sender mit Nachrichten aus der ganzen Welt aufwartet, anstatt sich auf das Regionale zu konzentrieren, ist reine Gebührenverschwendung.
ARD und ZDF haben mit den Sendern Das Erste, 3sat, arte, BR Fernsehen, hr-Fernsehen, MDR Fernsehen, NDR Fernsehen, Radio Bremen TV, rbb Fernsehen, SR Fernsehen, SWR Fernsehen BW, SWR Fernsehen RP, WDR Fernsehen, ARD-alpha, tagesschau24, ONE (bis Anfang September dieses Jahres noch als Einsfestival bekannt), EinsPlus, KiKA, phoenix, ZDF, ZDFneo, ZDFinfo und ZDF.kultur zahlreiche Geschütze aufgefahren. Aber Quantität ist eben nicht gleich Qualität. Natürlich gibt es bei den Öffentlich-Rechtlichen interessante Dokumentationen, dann und wann einen sehenswerten Tatort, Wissenswertes aus der Region oder solche Formate wie die Sendung mit der Maus – die, wenn man sie heute erfinden würde, keinerlei Chancen auf dem Markt hätte. Und natürlich ist das Gedöns der Privaten in keiner Weise besser – ganz im Gegenteil. Aber für dieses Blabla muss ich auch nicht knapp 18 Euro pro Monat ausgeben. Für Sendungen wie Brisant, die Lindenstraße, für die zahlreichen Spielshows oder Talkrunden, in denen dem Publikum akademisierte Meinungen aufgedrängt werden, hingegen schon. Und für Fußball! Warum muss ich Geld für all diesen Zirkus aufbringen? Zweifellos ist das alles sehr subjektiv. Aber es kann mich doch auch niemand zwingen, Geld für Garnelen auszugeben, obwohl ich überhaupt keine Meeresfrüchte mag …
Immerhin wissen wir nun seit ein paar Jahren, was mit einem Teil der Rundfunkgebühren geschieht. Denn die ARD, die 12,37 Euro der monatlich pro Haushalt abgegebenen 17,50 Euro kassiert (das ZDF, das Deutschlandradio sowie die Landesmedienanstalten erhalten zusammen 5,13 Euro), entschloss sich 2013 erstmals, ihre Zahlen offenzulegen. Mit einem Blick auf die Internetseite der ARD erfährt man, dass Film-Zulieferungen an Das Erste beispielsweise 40 Cent verschlingen – davon gehen 14 Cent an den „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. 22 Cent fließen in den Bereich Unterhaltung, 70 Cent in den Sport. Klingt im ersten Moment nach Peanuts. Liest man jedoch das Kleingedruckte, wird deutlich, was sich tatsächlich dahinter verbirgt: 1 Cent Beitrag entspricht demnach 4,35 Millionen Euro pro Jahr. 60,9 Millionen Euro werden also jedes Jahr für Tatort und Polizeiruf ausgegeben, 304,5 Millionen für Sport. In den Hörfunk der Landesrundfunkanstalten fließen von den abgegeben 17,50 Euro stattliche 2,16 Euro. Für GEMA u.a. müssen 27 Cent aufgewendet werden. (Die Zahlen sind übrigens unter dem sperrigen Link www.ard.de/home/intern/die-ard/17_ 50_Euro_Rundfunkbeitrag/309602/index.html zu finden.)
Unter der Überschrift „Wofür verwenden wir Ihr Geld“ steht auf der ARD-Seite auch, dass 40 Cent in Technik und IT sowie 45 Cent in die Verwaltung investiert werden. 174 Millionen Euro im Jahr verschlingt demnach die Technik, 195,75 Millionen Euro die Verwaltung. Wenn man also an Horst Seehofers Forderung anknüpfen will, so entdeckt man vor allem in diesem Bereich enormes Sparpotenzial. Denn – auch wenn das Programm bzw. die journalistische Leitung nicht immer unumstritten ist – so gibt es nichts am Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen und an journalistischer Vielfalt per se auszusetzen. Vielmehr ist es dringend notwendig, Reformen bei Verwaltung und Technik umzusetzen. Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Großsender wäre also interessanter und sinnvoller als die vom CSU-Chef vorgeschlagene „Kernfusion“. Und nebenbei könnte man vielleicht doch das Programm ein wenig entrümpeln und die Vielfalt befeuern. Und eventuell, liebe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, könntet ihr auch noch was von den Nachbarn in Frankreich oder Skandinavien lernen. Ja, selbst die in die Kritik geratene BBC hat noch einiges zu bieten. Klingt komisch, ist aber so … Tina Heinz