Kontakt mit dem Schöpfer

schoepfungDie Menschheit hat ihrem Schöpfer auf die Finger geschaut. Das neue Werkzeug zur Genom Editierung heißt CRISPR-Cas9. Dieses Verfahren revolutioniert die Biotechnologie und schenkt der Medizin neue Heilungspersketiven. Wenn es um die Rettung des eigenen Lebens geht, nehmen wir alles inkauf. Das nennt man dann Fortschritt. Im Lebensmittel- und Argarbereich wird jedoch ein ideologisches Maß angelegt. Während manche Produkte verteufelt werden, sind andere scheinheilig geduldet.

Von Reinhard Szibor

Die CRISPR-Cas9 Technologie ist geboren – ein Verfahren des Genome-Editierens. Manche sprechen euphorisch vom „7. Tag der Schöpfung“, andere warnen davor, dass der Mensch sich nicht an die Stelle Gottes setzen dürfe. Der Ausgang ist schon jetzt gewiss: Die CRISPR-Cas9 Technologie wird die Welt verändern! Bevor wir dazu kommen, könnte ein Blick auf den Status Quo der Biotechnologie sinnvoll sein. Hätten bisher nicht alle auf Teufel komm raus getrickst, wären unsere Bürger ratlos und wüssten nicht mehr, was sie essen können. Unwissend lässt sich unbeschwert genießen, was man eigentlich ablehnt. Verschiedene Umweltorganisationen, Bündnis90/ Die Grünen, seit einiger Zeit sogar die CSU, Die Linke, NPD, AfD, und gar die SPD, lehnen einstimmig Nahrungsmittel aus gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) ab. Davor müsse man sich fürchten. Die fortwährende Debatte hat dazu geführt, dass mehr als 80 Prozent der Bevölkerung solche Lebensmittel ablehnen.
Doch was sind GVOs überhaupt? Es gibt unterschiedliche Darstellungen. Nach Lage des Gentechnikgesetzes (GenTG) führen Verfahren der Veränderung des genetischen Materials zu GVOs, wenn die Resultate „unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen“. Dies sind demnach z. B. Organismen, denen man Gene einer anderen Art übertragen hat. So gibt es Pflanzen, die sich dank des bakteriellen Bt-Proteins gegen Raupen schützen können und Bananenpflanzen, die durch ein übertragenes Paprikagen gegen die Bananenwelke resistent sind. Bananenwelke ist eine Krankheit die im Begriff ist, Afrika in eine katastrophale Hungersnot zu stürzen. Aber es ist scheinheilig, dass Behörden und Gentechnikgegner verschweigen, dass man auch viele Produkte eigentlich als GVOs bezeichnen müsste, die wir täglich verspeisen. CMS-Hybridpflanzensorten enthalten fremde Gene im Zytoplasma! Rund 70 Prozent der Kohlsorten und Chicorée sind CMS-Hybride, bei denen je etwa 50 Gene aus japanischem Rettich bzw. der Sonnenblume enthalten sind. Sie werden nicht als GVOs ausgewiesen. Dann sind da noch die Pflanzen, denen man künstlich Mutationen zugeführt hat. Sie gelten nach dem GenTG ebenfalls nicht als GVOs, sind jedoch genauso künstlich genomverändert. Es ist nicht so, dass es in der Natur spontane Mutationen nicht gäbe. Ihnen verdanken wir die Evolution. Was aber mit der artifiziellen Mutationsauslösung ausgeführt wird, hat in der Natur kein Vorbild. Man verwendet Bestrahlungsdosen von 200 bis 500 Gray. Das entspricht dem Millionenfachen der mittleren natürlichen Jahresgrundstrahlung. Aber damit nicht genug: Neben den aus der Natur bekannten Strahlen werden die Genome mit schweren Ionen (12C6+) beschossen, mit denen man normalerweise Krebsgeschwülste „ausbrennt“. Als Resultat erhält man Pflanzen mit tausenden Mutationen. Dass die Strahlenbehandlung heute oft durch chemische Mutagenese ersetzt wird, macht das Verfahren nicht sanfter. Man malträtiert die Genome mit Chemikalien, die stark erbgutschädigend, missbildungsauslösend und krebserregend sind. Wie auch schon bei der Bestrahlung, entstehen pro Genom 20.000 bis 50.000 Erbgutänderungen. Deren Auswirkungen auf die Pflanzenentwicklung und vor allem deren Relevanz für die Gesundheit des Verbrauchers werden nicht geprüft.
Anders ist es bei den Züchtungsprodukten, die als GVOs ausgewiesen werden. Die wenigen Veränderungen, die man dort erzeugt, werden intensiv analysiert, manchmal über einen Zeitraum bis zu 15 Jahren. Pflanzen, die hingegen aus der Mutationszüchtung völlig ungeprüft auf den Markt kommen, werden von grünen Politikern als „gute Alternative zur Gentechnik“ bezeichnet und gern mit dem Bio-Siegel geadelt. Welche Produkte aus dieser Züchtung stammen, weiß man meist gar nicht, denn sie müssen ja nicht ausgewiesen werden. Sicher ist, dass alle gängigen Hartweizensorten dazu gehören. Die sind die Grundlage für Spaghetti, die unsere Kleinsten so gern essen. Auch Braugerste gehört dazu. Man kann es eine Verhöhnung des Verbrauchers bezeichnen, wenn „ökologisch ausgerichtete Brauereien“ das verschweigen, aber für deutsches Bier ein „Reinheitsgebot 2.0“ ausrufen, dessen Merkmal die Gentechnikfreiheit sei.
Wie gut, dass wir dieses irrationale Treiben bald hinter uns lassen werden. Mit der Entwicklung der CRISPR-Cas9-Technologie ist ein neues Zeitalter angebrochen – die Ära der Genom-Editierung. Jennifer Doudna (USA) und Emmanuelle Charpentier (Frankreich) sind die Erfinderinnen. Das Verfahren ist den Streptokokken abgeschaut. Diese Bakterien sind in der Lage, Viren-DNA, die sich in ihrem Genom eingenistet hat, aufzuspüren und herauszuschneiden. Die „molekularen Scheren“ der Streptokokken verfügen über eine Wegweiser-RNA (Guide-RNA), die der zu eliminierenden DNA komplementär ist und deshalb das Abwehrwerkzeug direkt ans Ziel führt. Als Geniestreich haben die beiden Nobelpreisträgerinnen in spe gezeigt, dass man die Guide-RNA auswechseln kann. Mit synthetischer RNA kann man jetzt das Schneidewerkzeug so adressieren, dass sie jede gewünschte Position im Genom ansteuern und schneiden kann. Das funktioniert nicht nur in vitro, sondern auch in den lebenden Zellen. Damit hat man ein revolutionäres Werkzeug in der Hand, mit dem sich die Genome aller Lebewesen verändern lassen, denn man kann aus dem Genom nicht nur etwas herausschneiden, sondern an der Schnittstelle auch Neues einfügen. Das können einzelne DNA-Bausteine (Nukleinbasen) sein, aber auch zusätzliche Gene der gleichen oder einer anderen Art. So etwas hat man zwar auch schon mit der traditionellen Gentechnik gekonnt, doch jetzt ist alles viel zielgenauer, einfacher und billiger. Die bisherigen Genscheren (Restiktionsenzyme) schnitten nach ihren eigenen Regeln, so dass das „Genetic Engeneering“ recht aufwändig war.
Renommierte Institute, wie das IPK Gatersleben könnten – wenn sie denn dürften – Pflanzen bereitstellen, von denen sowohl Landwirte als auch Umweltschützer bisher nur träumen konnten. Was soll es bitteschön sein? Tomaten oder Erdbeeren mit Reifeverzögerung? Weizen, der mit einem reduzierten Spektrum von Glutenproteinen keine Allergien mehr auslöst aber trotzdem Mehl mit hervorragende Backeigenschaften liefert? Kartoffeln, die beim Frittieren kein krebserregendes Acrylamid mehr bilden? Alles kein Problem. Man muss aus den relevanten Stellen nur eine einzige Nukleinbase herausschneiden. Dann können die entsprechenden Gene nicht mehr abgelesen werden. Solche Eingriffe sind so geringfügig und so naturnah, dass manche sagen, die Produkte wären keine GVO. Aber das ist unehrlich. Richtig ist, dass es sich um GVO handelt, die keiner Reglementierung bedürfen.
Darf‘s noch ein bisschen mehr sein? Pflanzen, die gegen Raupen gefeit sind? Äpfel, die nicht an Feuerbrand oder Apfelschorf erkranken? Kartoffelpflanzen, die gegen Kartoffelkäfer resistent sind und nicht von Kraut- und Knollenfäule dahingerafft werden? Pflanzen, die längere Trockenperioden unbeschadet überstehen? All das war schon mit der bereits etablierten Gentechnik möglich, aber mit CRISPR ist es noch viel einfacher, sie zu kreieren. Und auch Pflanzen, die bis vor kurzem noch als utopisch galten, werden kommen: Weizen, der eine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingeht und keine Stickstoffdüngung mehr braucht oder Kulturpflanzen, die mit 50 Prozent höherer Photosyntheseaktiviät sensationelle Produktionszuwächse ermöglichen. All das ist in Arbeit, denn die notwendigen Enzyme sind vorhanden. Die Gene dafür müssen nur mit der CRISPR-Cas9-Technologie übertragen werden.
Die CRISPR-Cas9-Technologie eröffnet auch der Medizin neue Perspektiven. Bei genetisch bedingten Erkrankungen führt oft eine Mutation in nur einem Gen zum Verhängnis. Diese lässt sich prinzipiell mit dem CRISPR-Cas9 System reparieren. Allerdings funktioniert das nicht für Krankheiten, wie Muskeldystrophie, Glasknochenkrankheit usw., weil man die vielen betroffenen Körperzellen nicht erreichen kann. Wenn es zur Genesung des Patienten jedoch ausreicht, Inseln gesunder Zellen ins Knochenmark oder in die Leber einzuführen, gibt es Chancen. Mit der Transformation adulter Stammzellen vom Patienten und der Reparatur des jeweiligen Gendefekts mittels CRISPR-Cas 9-Technologie eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Man hofft auch eine Mutation in Knochenmarkzellen einführen zu können, die diese gegen AIDS resistent macht. Diesbezüglich und im Hinblick auf die Heilung diverser Stoffwechselerkrankungen werden wir in den nächsten Jahren Erfolge erleben.
Aber dürfen wir das alles überhaupt? Man hört und liest es ja immer wieder – quasi als ein „Elftes Gebot“: „Du sollst dem ‘Lieben Gott’ nicht ins Handwerk pfuschen.“ Nichtreligiöse Kritiker sagen es ähnlich. „Die Ergebnisse der Evolution aus Millionen von Jahren dürfe der Mensch mit seinen Kreationen nicht in Frage stellen.“
Aber die Evolution ist nur ein Mechanismus, der das Überleben und die Entwicklung der Arten sichert und nicht das Wohl der Menschheit im Visier hat. Anders ist die Botschaft der Bibel. Führende Ethiker schreiben, dass sich aus der Theologie der Schöpfung kein Nein zu gentechnischen Forschungen und deren Nutzung ergibt. Theologen aus dem Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften (TTN) an der Ludwig-Maximilians-Universität München verweisen auf Bibelstellen, die dem Menschen nicht nur erlauben, sondern ihn beauftragen, die Erde und alles was auf ihr und in ihr ist zu gestalten. Ein wesentliches Argument ist der Verweis auf das Matthäusevangelium (Mt12, 1-8), in dem Jesus den Pharisäern erklärt, dass nicht religiöse Dogmen, sondern das Wohlergehen des Menschen Richtlinie allen Handelns sein muss. Leider kommt das bei den Leitungsgremien der EKD (Evangelische Kirchen Deutschlands), und bei der protestantischen Pastorenschaft nicht an. Sie orientieren sich mehrheitlich am Bauchgefühl einer Gesellschaft, deren Hauptproblem ein exzessiver Wohlstand der Oberschicht und des Mittelstandes ist. Sie pervertieren sogar das Vorsorgeprinzip, in dem sie davon abraten, technologische Lösungen zur Begegnung des Klimawandels und der Bevölkerungsexplosion zu suchen. Angstdiktiert und ohne Gottvertrauen wollen sie alles Unbekannte meiden und zum vermeintlichen Wohle der ohnehin schon Übersättigten eine Nullrisikostrategie fahren. Dabei sind die Risiken einer verantwortungsbewussten Erneuerung nahe Null. Grotesk wird es, wenn die Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der EKD die Mutationszüchtung als gute Alternative zur Gentechnik lobt. Aber Genome planlos mit Chemikalien und Strahlen zu zertrümmern ist nun wirklich ein Frevel an der Schöpfung! Die EKD und deren AGU sitzen offensichtlich mit Greenpeace in einem Boot, denen Wissenschaftler aus Fachgremien jegliche Kompetenz absprechen. Die Greenpeace Gentechnikexpertin Stephanie Töwe Rimkeit kann eine Ausbildung an der Filmhochschule vorweisen und Gentechnikexperte Christoph Then ist zwar Tierarzt, hat aber mit einem esoterischen Thema promoviert.
Wenn auch mit Ausnahmen, geht es in der katholischen Kirche überwiegend rational und wissenschaftskompatibel zu. Man überliest hier nicht die entscheidenden Bibelstellen und lässt sich offenbar nicht von Umweltvereinigungen, sondern vom TTN sowie von Wissenschaftsgesellschaften wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Leopoldina, der Royal Society und der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften beraten. So ist zu erklären, dass Bischof Leo Nowak zu seiner Amtszeit ein Engagement des Magdeburger Bistums in einem Gentechnikprojekt in Gatersleben veranlasst hat und dass der Papst Franziskus den Golden Reis gesegnet hat, der dazu geeignet ist, den tödlichen Vitamin A-Mangel in Asien zu mindern.
Und wie reagieren die Mehrheit der Politiker sowie Öko-Verbände auf die biotechnologische Revolution? Die Grünen im EU-Parlament und im Bundestag sowie die Ökoszene wollen für CRISPR-Cas9-Produkte keine Abstriche von der stringenten Reglementierung dulden. Aber es gibt namhafte Abweichler. Der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, Urs Niggli, der als „Ökopapst“ gilt, gibt zu bedenken, dass es widersinnig ist, wenn künftig die konventionelle Landwirtschaft GVOs anbaut, die sich selbst gegen Krankheitserreger wehren, während Ökobauern Pflanzen mit Giften besprühen. Was gern verschwiegen wird, ist ja, dass auch die im Biolandbau zugelassenen Pestizide wie Kupferkalk, Pyrethrine, Azadirachtin und Spinosad Umweltgifte sind.
Spannend ist, was im Land Sachsen-Anhalt passieren wird. Unter dem Protest von Landwirten und Wissenschaftlern ist das Landwirtschaftsministerium an die Grünen gefallen und im Koalitionsvertrag steht, dass auf den Feldern GVOs nicht angebaut werden. Frau Prof. Claudia Dalbert hat sich mehrfach gegen GVOs ausgesprochen. Das betraf aber noch die Gentechnik vergangener Jahre. Vielleicht darf man ihr dennoch einen Kurswechsel zutrauen, denn sie akzeptiert immerhin, dass zur Gentechnik geforscht wird. Damit ist sie dem Mainstream ihrer Partei meilenweit voraus. Sie wird sich sicher auch daran erinnern, dass die Grünen noch im Programm zur Bundestagswahl 1987, die Digitalisierung der Telekommunikation, Glasfaserverkabelung, Satellitenfernsehen u.v.m. verbieten wollten und dass es gut war, sich von der Technikfeindlichkeit zu lösen. Frau Prof. Dalbert könnte durch ihre Vernetzung mit der MLU Halle, die ja ein Leuchtturm der Genetik darstellt, geeignet sein, den Abschied vom Widerstand gegen moderne Biotechnologie einzuleiten. Es wird sicher eine schwere Aufgabe sein, sich selbst mit Fakten eines fremden Fachgebietes vertraut zu machen und dabei die grüne Partei mitzunehmen. Aber Akzeptanz für innovative Entwicklungen entsteht ohnehin nicht durch Vermittlung einer wissenschaftlichen Faktenlage, sondern durch psychologisch beeinflussbare Stimmungslagen. Da hätte dann vielleicht niemand mehr Kompetenz, einen Kurswechsel zu vollziehen, als eine Landwirtschaftsministerin, die eine Professorin für Psychologie ist.

Der Autor

sziborProf. Dr. Reinhard Szibor ist gelernter Gärtner, später studierte er Biologie an der FSU Jena. Molekulare Genetik lernte Szibor am Max-Delbrück-Zentrum in Berlin-Buch. An der OvGU arbeitete er wissenschaftlich auf dem Gebiet der Molekularen Abstammungsgenetik. Er ist Mitglied im Kollegium emeritierter Professoren und gehört dem Forum Grüne Vernunft an.