Lennés Vermächtnis

Herrenkrug3Beiträge zur Bewerbung Magdeburgs als Europäische Kulturhauptstadt 2025 – Volker A. W. Wittich

Magdeburg hat die Chance, 2025 Kulturhauptstadt zu werden. Ein Beitrag, der die Bewerbung dafür stützen könnte, ist die Rekonstruktion des Gesellschaftshauses im Herrenkrug. Gleichfalls würde dadurch das bauliche Ensemble komplettiert. Ein Ballhaus für Tanzveranstaltungen könnte entstehen. Auch eine Dauerausstellung für die Magdeburger Garten- und Landschaftskunst von Peter Joseph Lenné wäre vorstellbar. Aus meiner Sicht wäre das Gesellschaftshaus neben dem Parkhotel eine Aufwertung. Die Denkmalmesse in Leipzig vom 10. bis 12. November könnte eine gute Gelegenheit sein, das Rekonstruktionsvorhaben des Gesellschaftshauses im Herrenkrug vorzustellen, Unterstützer zu finden. Vor 340 Jahren gaben Vieh-, Gras-, Heu- und Holzdiebe Anlass dazu, ein Wärterhaus an der damaligen Landstraße nach Burg in Form eines Wirtshauses, das von einem Apfelgarten umgeben war, zu errichten. Man nannte es „Herrenkrug“ oder „Neuer Krug“. Anfänglich nur zum Beaufsichtigen der städtischen Liegenschaften, Elbfähren und Brücken gedacht, entwickelte sich das Wärterhaus bald zu einer Meierei mit Kuh- und Schafwirtschaft. Das Areal wurde 1722 anderen Flächen per Pachtvertrag zugeschlagen. Mit einer Alleen-Bepflanzung sowie dem Anlegen eines Akazienhains um 1780 entstanden erste Ansätze für die Gestaltung einer Parkanlage. Reste einer Lindenallee dieser Zeit sind bis heute im nördlichen Parkteil erhalten. Südlich des Wirtshauses wurden die strahlenförmig angelegten Pappelalleen – bis auf die Hauptallee – mit kanadischen Pappeln bepflanzt. Die Herrenkrugchaussee wurde durch sechs Reihen italienischer Pyramidenpappeln aufgewertet. Ab 1808 verfiel das 1676 erbaute Wirtshaus während des deutsch-französischen Krieges und wurde 1813 durch das auf Befehl des französischen Gouverneurs abgebrochene Schützenhaus der Pfälzer Kolonie ersetzt. 1807 bis 1814 wurde per Verordnung ein umfassender Holzeinschlag angeordnet. Der Baumbestand dezimierte sich wesentlich, brachte der Kämmereikasse allerdings 17.000 Reichstaler ein. Im Januar 1818 erhielt der Regierungsrat Clemens vom Oberbürgermeister Francke den Auftrag, einen Entwurf für eine Parkanlage anzufertigen. Zu dem Zeitpunkt bereicherten an dieser Stelle dienstags und freitags regelmäßige Konzerte das gesellschaftliche Leben. Zwei Jahre später bewirtete man die Besucher im Gastgarten in einem „Japanischen Zelt“. Festungskommandant General von Haacke, Industriepionier Johann Gottlob Nathusius und Finanzrat Sack empfahlen dem Oberbürgermeister 1824 den Gartenkünstler und Städteplaner Peter Joseph Lenné. August Wilhelm Francke beauftragte Lenné daraufhin erstmals am 29. Juli 1824 damit, den Nordfriedhof anzulegen. Vier Wochen später bezog der Gartenkünstler ein Zimmer im Magdeburger Hotel „Stadt London“. Francke wollte ebenfalls einen Entwurf für das Herrenkrug-Gelände. Ende 1829 lag dem Magistrat Lennés Plan vor. Zuvor war der zweite Volksgarten Deutschlands, der Klosterbergegarten mit Gesellschaftshaus, entstanden. Der Planer forderte im September 1829 eine Sichtachsenbeziehung über die Elbe hinweg als Verbindung des Gesellschaftshauses im Klosterbergegarten mit dem im Herrenkrugpark. Lennés Entwurf für die Anlegung des Parks wurde nicht vollständig umgesetzt. 1830 weilte der Landschaftsgestalter vermutlich zum letzten Mal in der Domstadt. Bei beiden Gesellschaftshäusern setzte sich der Baukondukteur Wolff gegenüber Karl Friedrich Schinkel (1781 bis 1841) durch. Dessen Entwürfe waren aus Kostengründen verworfen worden. Im Herrenkrug entstand erst 1843/44 ein neues Gesellschaftshaus, was anfangs frei und später – vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis Ende der 50er Jahre – intakt eingespannt zwischen den heute dort noch zu findenden Doppelpergolen stand. Warum dieses für den Sichtachsenfächer so bedeutsame Bezugsobjekt vor etwa 60 Jahren im Herrenkrug abgerissen wurde, kann nicht genau gesagt werden. Die Komplettierung dieses Areals würde Lennés Planungen wieder aufgreifen, den Gartenbaumeister und sein Wirken in Magdeburg würdigen. Um so ein Unterfangen umzusetzen, sollte sich ein Kuratorium Gleichgesinnter und Förderer zusammenfinden.

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