… sie würde aus den Nachrichten ihres Freundes überhaupt nicht mehr schlau. Welche Nachrichten, fragte ich. Alle, sagte sie derart schneidend kurz, dass ich zusammenzuckte. Ich blickte sicher unverständlich und hilflos drein – jedenfalls sprudelte es dann aus ihr heraus, dass sie ihm einen Liebesgruß über das Handy gesendet hätte, aber der Kerl hätte wieder mal nicht reagiert.
Erst nach zwei Stunden hatte sie gesehen, dass er die Nachricht gelesen hätte. Sie sprach also über die Kommunikation so eines Messengerdienstes auf ihrem Smartphone. Jetzt hatte ich endlich geschnallt, worum es ging. Nun wollte ich ihr gar nicht die ganze Wirkweise zwischen ihrer Erwartung und dem tatsächlichen Geschehnissen auf der anderen Seite erklären. Ich war mir sicher, dass dies zu keiner neuen Erkenntnis führen würde. Also erinnerte ich sie an ihre Lebenszeit, als es diese wundervollen technischen Hilfsmittel noch nicht gab. Und ich wollte wissen, wie oft sie sich damals darüber aufgeregt hatte, wenn sie nicht pausenlos und sofort eine Antwort erhalten hätte, vorausgesetzt, sie hätte überhaupt so nebenbei mal eine Botschaft absetzen können. Meine Ex machte große Augen und fragte, was das mit heute zu tun hätte? Die Technik sei nun einmal da und dann müsse man auch damit umgehen. Wenn sich ihr Freund nicht rechtzeitig melden würde, wäre das ein Zeichen von Ignoranz. Dann würde sie ihm wahrscheinlich nicht sehr viel bedeuten. Menschen vergangener Zeiten hätten sich also gegenseitig kaum Bedeutung geben können, meinte ich. Ich solle nicht ständig Äpfel mit Birnen vergleichen, echauffierte sie sich. Sie würde die veränderte Bedeutung in ihren Gedanken erzeugen. Sie messe dem unmittelbaren Nachrichtenaustausch die Wichtigkeit zu, niemand anders. Was sie sonst so alles in sein Schweigen oder in seine kurzen Antworten hineindichte, liege ausschließlich innerhalb ihrer Keativität. Ja aber … Ich ließ sie den Satz nicht zuende sprechen, weil ich mir sicher war, dass darin keine Einsicht erkennbar würde. Also sagte ich, sie solle mal über die These nachdenken: Größer als das Universum ist nur die Interpretationskraft einer Frau. Wenn sie daraufhin nicht sofort gegangen wäre, hätte ihr Groll auch zu einer Explosion führen können.
Thomas Wischnewski