An Karneval wird Magdeburgs Satiriker Hans-Günther Pölitz kaum gedacht haben, als er jüngste Zwickmühlen-Programm „Meins, wie es sinkt und kracht“ benannte. Mit der Premiere Anfang Juni setzte das Ensemble zumal einen deutlichen Abstand zur 5. Jahreszeit.
Das Zeitgeschehen spielt politischen Kabarettisten aktuell derart viel Stoff in die Hände, dass die Pointen nur so wuchern müssten. Die Kehrseite ist jedoch eine andere. Ereignisse zeigen oft eine Halbwertzeit, bei der es schwierig wird einen politisch-satirischen Text auf die Dauer einer Spielzeitsaison anzulegen. Das Thema Griechenland ist schon deshalb heikel, weil niemand genau weiß, wie lange hier welcher Akteur benannt werden kann, ohne dass derjenige längst von der politischen Bühne gefegt wurde. Die Inhaltsproduzenten Pölitz, Lothar Bölck, Olaf Kirmis und Wolfgang Schaller haben es jedoch verstanden, das Geschehen auf eine Ebene zu stellen, mit längeren Entwicklungen zu verknüpfen und mit einer Ursachenbenennung zu verbinden, dass die Szenen nicht an Aktualität verlieren.
Die Autoren lösen das Problem mit einem Griff in die Geschichte. Den Streit um die Ukraine begleitet Pölitz mit der Bemerkung, dass wir eigentlich alle Russen sind, weil die Besiedlung unserer Breiten vor 4.000 Jahren von Südrussland ausging. Überhaupt stellt sich das Duo Marion Bach und Hans-Günther Pölitz permanent gegen verkürzte und einfache Botschaften und reagiert dann Auge um Auge in derselben Art und Weise jedoch mit dem Mittel der Satire. So tönt es beispielsweise von der Bühne, dass man endlich etwas gegen „die Idiotisierung des Abendlandes“ unternehmen müsste. Jedes noch so schlagkräftig erscheinende Argument aus dem Munde heutiger politischer Eliten auf der Zwickmühlen Bühne zitiert, wird durch ein historisches Wort paralysiert. Griechische Philosophen, Auszüge aus der Bibel oder dem Koran, Redewendungen vom „Alten Fritz“ und Kurt Tucholsky sind die verbalen Spielbälle, mit denen die beiden Kabarettisten jede noch so schlüssige Erklärung auflösen und ad absurdum führen.
Unter dem Strich ist „Meins, wie es sinkt und kracht“ nicht nur eine satirische Abrechnung mit beschränkten Sichtweisen, sondern vor allem ein Lehrstück darüber, dass man sich offensichtlich immer wieder um ähnliche Dinge mit denselben Argumenten schlägt. Marion Bach und Hans-Günther Pölitz können über die gesamte Auftrittszeit intelligenten Witz und satirische Bissigkeit unter Beweis stellen. Und wollte man trotz mancher traurigen Wahrheit eigentlich den Kopf über die öffentliche Zuspitzung schütteln, muss man letztlich doch wieder lachen, weil die Protagonisten auf der Bühne eben ihr Handwerk verstehen. Selbst musikalisch überzeugt das Paar und zaubert einige spitzfindige Couplets aus dem Hut, die sich in einer Szene einen zusätzlichen Charme schenken. Wem gehört hierzulande eigentlich was? Mein Geist, mein Reichtum, meine Flüchtlinge, meine Erklärung – wer „meins“ sagt, muss auch begreifen, warum er dies für sich formuliert und welche anderen Lasten dadurch erzeugt werden, unter denen bei wem was „sinkt“ oder bei wem was „kracht“. Bach und Pölitz singen und lassen es auf jeden Fall satirisch krachen. So verliert das Programm auch in der neuen Spielzeit 2015/16 keine Aktualität. Wer witzige Inspiration und intelligente Unterhaltung abseits von Flimmerbildschirmen sucht, ist mit einem Besuch der Zwickmüller-Darbietung jederzeit gut beraten.
Thomas Wischnewski
Kabarett: Magdeburg Zwickmühle
„Meins, wie es sinkt und kracht“
Regie: Rainer Otto
Nächste Vorstellungen: ab 5. September 2015
Infos: www.magdeburger-zwickmuehle.de