Herbert Beesten – Dichter, Unternehmer und engagierter Mitorganisator der Magdeburger Autorenpräsentation zur Leipziger Buchmesse im Interview über Schreibmotive und die Leidenschaft, die zur Literatur führt.
Herr Beesten, in Zeiten, in denen Worte in einem digitalen Meer angespült werden, lohnt es sich da, Autor sein zu wollen?
Herbert Beesten: Schreiben lohnt immer. Die Frage ist, welchen Lohn man sich verspricht. Wer am Anfang davon träumt, vom Schreiben leben zu können, wird sicher alsbald ernüchtert erwachen. Ein einträgliches Brot für viele war das Schreiben nie. Vielleicht erhoffen sich manche, entdeckt zu werden. Doch das Genre unterscheidet sich nicht von den Aufstiegschancen anderer künstlerischer Metiers wie beispielsweise der Musik. Einige wenige verdienen richtig gutes Geld. Die meisten professionellen Anbieter kommen gerade so klar und die breite Basis verstrickt sich zeitlebens in die Träume nach Ruhm. Aber das soll kein Plädoyer gegen das Schreiben sein. Fakt ist, zu groß herauszukommen gehört Talent und bleibt trotzdem ein Riesenzufall.
Sie sind zuerst Unternehmer und dann Autor. Was treibt Sie zur Schriftstellerei?
Deshalb kann ich auch kein Vielschreiber sein. Zugegeben, mich treiben literarische Ideen. Vielleicht auch ein Stück Sendungsbewusstsein, mich anderen mitzuteilen.
Das besitzt wohl jeder.
Kann sein, muss nicht. Die literarische Form bedingt zunächst das Handwerk. Meinungsverbreitung, die wir heute millionenfach im Internet finden, ist ja nur wegen der Botschaftsverbreitung noch lange keine Literatur.
Gut Handwerk ist das Eine, was sollte Autoren noch antreiben?
Im Prinzip muss es ihr oder ihm egal sein, ob es eine Resonanz auf eigene Arbeitsergebnisse gibt.
Aber im stillen Kämmerlein schreiben viele. Das wird auf Dauer kaum Befriedigung bringen.
Man sollte schon für seine Botschaften, seine Idee brennen können. Es kommt darauf an Texte zu produzieren, die wirken. Natürlich muss man das austesten. Man kann es zunächst Freunden zeigen. Und natürlich eignen sich soziale Netzwerke, Blogs oder literarische Internetforen bestens, um Wirkungen zu testen. Häufig findet man dort auch hilfreiche Kritik, um eigene Mängel zu erkennen und überwinden zu können. Ich selbst bevorzuge Schreibwerkstätten mit tatsächlichen Treffen mit Mitautoren und Autorinnen. Hier erlebt man die direkte Wirkung, wenn andere den Text zum ersten Mal hören und spontan reagieren. Hier in Magdeburg gibt es im Literaturhaus die monatliche Schreibwerkstatt des Bödecker Kreises. Die Persönlichkeit von Autoren spielt auch eine große Rolle. Eine gewisse Eloquenz sollte darin schon vorhanden sein. Die Literaturgeschichte ist voll davon. Irgendwann traut man sich auch, aus dem Kämmerlein herauszukommen und sucht Öffentlichkeit.
Wo findet man in Magdeburg Öffentlichkeit?
Es hat sich mittlerweile eine lebendige Autorenszene entwickelt.. Da sind beispielsweise „Die Schreibkräfte“ zu nennen mit einem eigenen halbjährlichen Literaturjournal als Zeitschrift, es gibt Vereine und Initiativen rund um das Literaturhaus und in der Stadt entwickelt der moderne Dichterwettstreit Poetry Slam eine wachsende Anziehungskraft. Bühnen und Möglichkeiten sind also vorhanden. Es kommt immer auch auf die Protagonisten selbst an, sich präsentieren zu wollen.
Sie meinen, man sollte eine Art gesunden Narzissmus an den Tag legen?
Man kann das nennen, wie man will. Jeder lebt seine Schöpfung aus einem inneren Antrieb heraus. Aus welchen Motiven und wie jemand sein Publikum findet, ist doch nebensächlich, oft ein Geheimnis. Wenn ein Tischler einen Tisch fertig gestellt hat, will er an seinem Ergebnis auch Freude haben und Bestätigung erfahren.
Was ist Ihr Antrieb?
Es ist faszinierend mich, das Wirken von Worten sehen zu können. In einem Begriff können so viele unterschiedliche Bedeutungen stecken, wenn man ihn mit anderen in Beziehung setzt. Wenn meine Erfahrung damit bei anderen ankommen – egal, wie auch immer das Ergebnis im Denken eines Zuhörers oder Lesers sein mag. Für mich ist es ein erhabener Moment, wenn auch nur ein Mensch nach einer Lesung zu mir kommt, der mir sagt, dass ich ihn berührt habe.
Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt?
Sagen wir, wie ich mir sie vorstelle. Das kann mir auch nicht gefallen. Schreiben ist ein künstlerisches Metier. Literatur ist kein Journalismus. Selbstverständlich entsteht da eine eigene Welt. Ich kann Schöpfer sein und mir die Geschichte meiner Figuren, die Zeit und die Räume, in denen alles handelt, komplett ausdenken. Manche schreiben auch, was sie selbst gern sein möchten. Texte können Träume sein. Sprache, gerade Lyrik, ist auch Reduktion. Belangloses kann weggelassen werden. Alles fokussiert sich auf das Wesentliche. Genauso gut lassen sich mit Hilfe von Worten Bedeutungen ausbeulen.
Wenn ein junger Mensch darauf hofft, vom Literaturbetrieb entdeckt zu werden, was würden Sie ihm zu den Hoffnungen sagen?
Ich freue mich über jede Hoffnung, die einen Menschen zum literarischen Schaffen trägt. Nur muss man eben wissen, dass kommerzielle Literatur genauso gemanagt wird, wie Musik oder andere Produkte. Selbst wenn es jemand schafft, von einem bedeutenden Verlag veröffentlicht zu werden, heißt das noch lange nicht, dass man dann jede Freiheit hätte, schreiben zu können, was man wollte. Themen, Erzählweise, Umfang – alles wird auf Vermarktungsfähigkeit hin geprüft und zurechtgebogen. Auch Literaten steckt man gern in ein Korsett, damit ihre Bücher zu Massenprodukten werden können. Autor sein, heißt auch, sich einer Verantwortung zu stellen.
Welche meinen Sie?
Zum Beispiel: Ist mir meine Botschaft wichtiger oder die Vorgabe des Verlags? Wie viel bleibt von mir, wenn die Urfassung eines Textes kaum mehr sichtbar wird? Inhalt zu produzieren, ist stets Verantwortung gegenüber Lesern zu übernehmen. Mit solchen Fragen wird jeder Autor früher oder später konfrontiert sein, wenn er sich den Mechanismen des Literaturbetriebs unterwirft.
Sie engagieren sich seit Jahren in der Poetry-Slam-Szene. Sie haben im vergangenen Jahr schon maßgeblich am Programm für die Magdeburger Autorenpräsentation zur Leipziger Buchmesse mitgewirkt und engagieren sich jetzt wieder. Was treibt Sie an?
Im besten Fall Leidenschaft für die Literatur. Genauer: viele Magdeburger ziehen hier an einem Strang. In den zurückliegenden Jahren ist das literarische Leben bunter geworden. Wir haben einige sehr engagierte Poeten, die sich und Magdeburg bereits national bei Dichterwettstreiten einen Namen gemacht haben. Dass die Landeshauptstadt diese Autorenkraft fördert und nach Leipzig vor ein riesiges interessiertes Lesepublikum bringt, ist beachtlich. Glauben Sie, dass man so eine Entwicklung einfach loslassen könnte? Ich kann es nicht. Dadurch entsteht doch ein ganz neues Netzwerk. Man begegnet ständig anderen Interessenten. Es gibt Austausch und Bereicherung.
Und wie schaffen Sie das als Unternehmer alles nebenbei?
Nächste Frage. Nein, im Ernst, ich habe keinen Fernseher, bin in keinem Kegelclub, hab die Familienphase hinter mir; fast alles dreht sich in meiner Freizeit um das Thema Literatur und deren Präsentation in Zeitschriften, auf Lesungen und Performances sowie deren Organisation im lokalen Raum.
Wann schreiben Sie eigentlich?
Immer, wenn ich möchte; was nicht heißt, dass ich immer könnte, wenn ich möchte und wenn ich dann wirklich wollte, möchte ich manchmal gar nicht mehr oder konnte einfach doch nicht. Sie sehen, es ist eine komplizierte Sache mit der Schreiberei. Trotzdem wird sie mich nicht loslassen. Wenn ich nicht so viele Aktionen mitorganisieren würde, wäre vielleicht sogar etwas mehr Gelegenheit zum Schreiben. Aber wenn ich darüber klagen wollte, würde ich es aufschreiben.
Fragen: Thomas Wischnewski
Informationen zu Herbert Beesten auch auf seiner Internetseite:
www.herbertbeesten.de