Untreue in Magdeburg – vor langer Zeit
Von Andreas Dahm / Fritz und Luise hatten sich verknallt und genossen seit Wochen in vollen Zügen die daraus resultierenden Gelüste am körperlichen Vereinigen, also das gewisse Kribbeln, nicht nur im Bauch. Na, Sie wissen schon… Die Sache hatte nur zwei Haken – nämlich die jeweilige Tatsache des Verheiratet-Seins eines jeden von ihnen. Und da die ganze verhältnisbeladene Angelegenheit sich so zutrug, dass auch der blindeste Mitbürger die ausgetauschten Zärtlichkeiten der beiden, mit bunten Schmetterlingen in Bauch und Unterleib ausgestatteten Verliebten nicht übersehen konnte, war dieses – nennen wir es „affärisches Verhalten“ – flugs als Tatsachenbehauptung aus der Gerüchteküche der Stadt hinaus verbreitet worden, mithin „rum“. Ach je, was nun?
Nun, da gibt es heute halt die Möglichkeit, sich in verschiedene Richtungen frei zu entscheiden und im Falle der gewollten Trennung diese auch mit Anstand und Würde, sogar in vielen Fällen der Beibehaltung von wechselseitiger Achtung und Respekt zu vollziehen, ohne dafür aus der Stadt gejagt oder mit behördlichen Strafen belegt zu werden. Wie aber war das früher? Einiges wird nach wie vor angewendet (siehe fettgedruckte Hinweise) – wenn auch für andere Verwerflichkeiten.
Es war einmal im Jahre 1544 … da erließ der Rat von Magdeburg eine Verordnung, die sich gegen das Auftreten der Stadtbürger hinsichtlich des Ehebruchs sowie des „übermäßigen Aufwandes bei Hochzeiten und Verlöbnissen“ richtete und zugleich eine strenge detaillierte Kleiderordnung enthielt. Unsere Stadtväter sahen sich veranlasst, „… dem wieder eingerissenen, großen Luxus und zugleich der immer mehr um sich greifenden Unsittlichkeit“ mit neuen, scharfen Regeln entgegenzutreten.
Interessant dabei sind die harten Strafen des Ehebruchs: Wurde ein Mann oder eine Frau (oder natürlich beide) eines Ehebruchs beschuldigt (kein Schuldnachweis erforderlich!), so wurde das mit einer Geldbuße von 5 Mark geahndet. Falls die Summe nicht gezahlt werden konnte, musste die Stadt so lange verlassen werden, bis das Geld eingezahlt werden konnte (Platzverweis mit zeitweiligem Verbot der Annäherung). Wurde eine Person zum zweiten Mal (Wiederholungstäter, einschlägig vorbestraft) des genannten Vergehens beschuldigt und wollte diese einen Reinigungseid (reuevolles Nachtatverhalten mit Schuldanerkenntnis) nicht ablegen, so sah die Verordnung vor, sie für 14 Tage „in den Turm zu setzen“ (Ersatzfreiheitsstrafe). Mit Ausnahme des eigenen Ehegatten (falls dieser noch wollte), der Kinder und des Gesindes durfte niemand ohne „obrigkeitliche Erlaubnis“ Besuch abstatten (Besuchserlaubnis für die JVA). Nach Ablauf der Arrestzeit mussten dann noch 10 Mark an den Rat gezahlt werden, wofür blieb unklar, vielleicht für Brot und Wasser (Verpflegungskosten?).
Beim dritten Mal (mehrfach einschlägig vorbestraft) erhöhte sich die Strafe auf 20 Mark und war mit einer Ausweisung aus der Stadt für die Dauer von einem Jahr verbunden (befristetes Aufenthaltsverbot). Damals gab es hohe Stadtmauern und ein kontrolliertes Zugangstor – da kam niemand durch, der nicht durfte. Heute fährt man „unkontrolliert“ auf der Tangente am Ortseingangsschild in die Stadt hinein… (wird aber dann als „Zu-zügig-Fahrer“ mit einem Bußgeld belegt…).
Konnte das Straf- oder Bußgeld zur damaligen Zeit nicht beigetrieben werden (erfolglose Vollstreckung), drohte dem säumigen Zahler dafür die zeitweilige Verbannung aus der Stadt und bei erneuter „schlechter Zahlungsmoral“ (drohende Zahlungsunfähigkeit) der Arrest im Turm. Eine nicht uninteressante Regelung – wie würde das heutzutage aussehen? Gibt es überhaupt einen entsprechend ausreichend großen Turm, vielleicht im Stadtpark, oder ein ähnliches „Arresthaus“ (das nun leer stehende, ehemalige Amtsgerichtsgebäude in der Liebknechtstraße, das MAW, eine alte Schule im Neubaugebiet oder eine riesengroße alte Fabrikhalle)? Schließlich müssen ja auch alle hineinpassen.
In „Des Rades der Oldenstadt Ordenunge“ war ebenfalls geregelt, dass der oder die Beschuldigte die eigene Unschuld beweisen konnte (Entlastungsbeweis bei Schuldvermutung). In diesem Fall sollte „ihm dazu ein Termin bestimmt und Zeugen … verhört werden“. Leider ist nicht überliefert, ob und wie das jemals praktiziert wurde. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie der oder die Beschuldigte hätte beweisen können, dass er oder sie die eheliche Treue gerade nicht gebrochen hatte. Welche Zeugen hätten dazu etwas aussagen können (außer natürlich die „Beteiligten“ selbst)?
Übrigens: Unabhängig vom Geschlecht wurden die Taten verfolgt und auch bestraft (Gleichberechtigung). Dennoch waren die „Spätfolgen“ (Nebenstrafen) verschieden: Ein Mann konnte nicht mehr in den Rat gewählt oder zu einem „ehrlichen Amte“ zugelassen werden (Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden). Eine Frau durfte sich weder mit Gold und Edelsteinen schmücken, noch in der Öffentlichkeit zeigen (so eine Art Bewährungsauflagen). Gleichstellungsbeauftragte gab es da wohl noch nicht…
Wie wurde mit Bürgern verfahren, die „in flagranti“ bei einem Ehebruch ertappt wurden oder deren Schuld erwiesen war? Bekannte sich der Täter für schuldig (geständige Einlassung), so wurde er gleich für zwei Jahre aus der Stadt verwiesen. Der andere Ehepartner konnte sich dann von ihm oder ihr durch eine rechtmäßige Scheidung (Scheidung wegen unzumutbarer Härte vor Ablauf des Trennungsjahres) trennen, falls nicht die Absicht zur Versöhnung (Aussöhnungsversuch) bestand. Der Bestrafte konnte nach Ablauf der zwei Jahre wieder in unsere Stadt zurückkehren, musste aber zuvor dem Rate eine Gebühr von zehn Mark entrichten (Einreisegebühren oder Maut). Wurde dieser Täter erneut bei einer derartigen Handlung „gestellt“, verbannte man ihn für ewig aus der Stadt und beförderte ihn, falls er sich dennoch in Magdeburg antreffen ließ, ohne Gnade mit dem Schwerte vom Leben zum Tod (Todesstrafe durch Enthauptung).
Fritz und Luise jedenfalls sind nun geschieden und nach wie vor verknallt – bis über beide Ohren – quasi „Hals über Kopf“ verliebt. Sie saßen nicht bei Brot und Wasser im Arrestturm, durften in der Stadt bleiben, sogar Schmuck tragen. Und auch die Todesstrafe drohte nicht. Also, immer schön den Kopf oben behalten.
Das wünscht Ihnen Ihr Rechtsanwalt Andreas Dahm