Respekt, Herr Trümper!

336 256 ø24 008Da bin ich doch unlängst über die Rede unseres aus seiner Partei ausgetretenen Oberbürgermeisters gestolpert. Ich muss mal sagen: Respekt! Jetzt nicht für den Austritt. Da hätte er meinen Respekt gehabt, wenn er ausgetreten wäre, als der „Genosse der Bosse“ sein Armutsförderungsprogramm auflegte. Die Reform, wie der Etikettenschwindel seinerzeit benannt wurde. Wir reden bei einer Reform von einer planmäßigen Verbesserung des Bestehenden.

Hat dieses Bemühen jemand in der Sozialpolitik der letzten zwanzig Jahre bemerkt? Gut, aber das ist nicht mein Thema. Unser Oberbürgermeister hatte sich ja zum Thema „Flüchtlingsansturm“ zu Wort gemeldet. Der Praktiker gegen die Illusionisten. Nun muss man anerkennen, dass viele Menschen, auch in Magdeburg, sich vehement darum kümmern, die ankommenden Menschen aufzunehmen. Und dass da auf Verschleiß gefahren wird, das ist auch so. Mit Recht weist er auch auf Unzulänglichkeiten des Asylverfahrens hin. Zumindest, was die Unsäglichkeit bedeutet, die das Asylverfahren mit sich bringt, dass ein Asylsuchender aufgrund der zeitlichen Befristung eines Asyls keinerlei Arbeitsmöglichkeit finden kann. Trümper legt, das verdient meine Anerkennung, ziemlich konkret den Finger auf die Wunden. Und dass die Politiker sich in dem Definitionswirrwarr selber nicht zurechtfinden (erstaunlicherweise eben nicht klüger sind als ich, der ich nun wahrlich kein Asylfachmann bin), zeigen Äußerungen wie die von Trümper zitierte unseres Ministerpräsidenten, der mit den Asylbewerbern den qualifizierten Nachwuchs für die Wirtschaft gewinnen möchte (ähnliches sagte aber auch Frau Nahles) oder Justizminister Heiko Mass, der von Einwanderung sprach.
Respekt, weil hier einmal ein auch landesbekannter Politiker Nerven zeigt. Zugleich deutlich macht, dass ihm die Ankommenden nicht gleichgültig sind. Immerhin hat, so Trümpers Aussage, Magdeburg bisher noch keine Lager geschaffen, ganz im Gegensatz zum Jerichower Land, wo auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow ein Gelände für 400 junge Männer abgezäunt wurde, mit dem Wummern der Geschütze auf dem Truppenübungsplatz, damit den Flüchtlingen nicht die vertraute Geräuschkulisse fehlt. Ist nun der, der das so beschreibt, der Zyniker, oder sind es die, die solches zu verantworten haben? Nochmal: Trümper hat auch meinen Respekt, weil er die Belastung aufzeigt. Was aber keine Zukunft haben wird, sind die Bemühungen um die Festung Deutschland. Zäune, und sind sie noch so weit weg, eben in der Türkei, weil wir aus Versehen Gaddafi ermordet haben, der uns ja zumindest die Afrikaner vom Hals hielt, halten nicht. Insofern ist es ja geradezu ein Menetekel, dass der Beitrag Trümpers in einer Zeitung erschien zur Festungsgeschichte Magdeburgs. An der Geschichte der Festung Magdeburg kann man wunderbar sehen, dass eine Abgrenzungspolitik immer schief gegangen ist: 1631 mit der Zerstörung Magdeburgs, 1806 mit der friedlichen Übergabe der stärksten preußischen Festung durch General Franz Kasimir von Kleist, schließlich sprengte das Industriezeitalter mit dem enormen Zuzug die Festungsmauern endgültig weg. Als die Hugenotten kamen, die nicht gern gesehen waren, begann ein wirtschaftlicher Aufschwung. Als die Industriearbeiter aus dem Osten kamen, nahm der wirtschaftliche Aufschwung Fahrt auf. Und glauben Sie nicht, dass die Fremden, die da kamen, willkommen waren. Nur, bei aller Belastung derzeit: Magdeburg prosperierte immer dann, wenn die Grenzen fielen. Respekt, Herr Oberbürgermeister. Und nun brauchen wir eine unendliche Menge Mut und Fantasie. Beides wünsche ich Ihnen, und dass Sie Ihre Standfestigkeit behalten. Den Parteien wünschte ich, dass sie endlich ihre Verzagtheit in Handlung umsetzen und nicht alle Tage eine andere Sau durch’s Dorf treiben. Das schafft Verzagtheit. Und dumme Sprüche von Leuten, die den falschen Parolenschreiern hinterherrennen.

Ludwig Schumann