Warum sich dürstere Stimmung im Land schnell aufhellen kann.
Jetzt dürfen Sie wieder Mal richtig unglücklich sein und das auf sogar wissenschaftlichem Fundament. Laut jüngstem Glücksatlas rangieren Sachsen-Anhalter auf Platz 18 der 19 untersuchten Regionen. Nur die Leute aus Mecklenburg-Vorpommern versinken noch tiefer im Gram.
Die Demoskopen der Glücksuntersuchung wissen nicht nur, wer wo wie glücklicher oder unglücklicher ist, sie können uns sogar sagen, warum wir hierzulande in so düsterer Stimmung verharren. Für die ehemalige hallesche Direktorin der Uniklinik für Psychotherapie, Prof. Erdmuthe Fikentscher, lässt sich das sachsen-anhaltische Unglück mit der wirtschaftlichen Entwicklung erklären. Die hohe Arbeitslosigkeit als Folge des Niedergangs vieler Großindustrien seien ein Hauptgrund für das Lebensgefühl im Land. Allerdings sprechen gegen ihr Argument andere Hinweise im aktuellen deutschen Glücksatlas. Da heißt es nämlich, dass zu viel Arbeit kaum glücksverheißend sei, weil Glücklichmacher wie Familie und Freizeit zu kurz kämen. Was denn nun? Wir haben zu wenig Arbeit im Land und werden angeblich nicht richtig glücklich und andere, die wiederum zu viel haben, werden es auch nicht. Gut, der kluge Mensch weiß, dass das mit dem Glück so eine Sache ist. Jeder hat sein eigenes und keines lässt sich mit einem anderen vergleichen. Warum sich Wissenschaftler trotzdem damit beschäftigen, Vergleichsmaßstäbe für Erlebnisqualitäten aufzustellen, bleibt einem Laien verborgen. Wahrscheinlich hatten sie einfach zu wenig Arbeit und sie waren deshalb davon bedroht in melancholische Gefühle zu versacken. Vielleicht taugen die aufgestellten Behauptungen ganz gut dazu, damit Journalisten etwa scheinspannende Beiträge erstellen können. So wie ich an dieser Stelle. Offengestanden macht es mich richtig glücklich, über die Interpretationen einer Glückslandkarte zu schreiben. Jetzt muss ich außerdem gestehen, dass dieser Text nicht außerhalb üblicher Arbeitszeiten entstanden ist. Was für ein Glück. Und weil Sie jetzt Zeit zum Lesen haben, mangelt es Ihnen augenblicklich nicht an Freizeit. Da haben Sie aber auch Glück. Wussten Sie eigentlich, je öfter und intensiver Sie über Zustände eines Dilemmas reden, dass Sie sich damit das ganze empfundene Unglück noch mehr verstärken. Möglicherweise reden wir Sachsen-Anhalter viel zu oft über schlechte Seiten. Bei den psychischen Erkrankungen zeigt unser Menschenschlag auch eine Menge Wachstumspotenzial. Diese verheerenden Tatsachen müssten Wissenschaftler aufgrund vieler offener Forschungsfragen richtig glücklich machen. So werden wir sicher noch ein frohes Wissenschaftsland. Das wäre doch ein echtes Glück im Unglück.
Thomas Wischnewski