Der Musiker und Komponist Christoph Deckbar
Vielseitigkeit beschreibt den Künstler
Christoph Deckbar: Er war/ist Musiker in verschiedenen Bands, meist den Stil prägend. Die Kulturszene von Magdeburg und Region kennt ihn gar in zweifacher Gestalt, als Christoph Deckbar und als sein immy Dekker, der Country und Rockabilly-Songs singt und spielt.
2006 würdigte der Wagner-Verband Magdeburg Deckbar für die sensible Klavier-begleitung der Monologe der Wagner-Ehefrauen in „Mit aller Schmerzen Qual im Bunde“ mit dem Wagner-Stipendium und er reiste nach Bayreuth. Seine Klavierimprovisationen unterhalten jeweils freitags die Gäste im Café Tart im Kunstmuseum. Er arbeitet für Programme der Magdeburger Zwickmühle und sitzt dort auch immer wieder am Klavier. Und jedes Jahr, wenn der Sommer kommt, komponiert er die Lieder für die Aufführungen jener Theatergruppe, die sich seit sechs Jahren Compagnie Magdeburg 09 nennt.
Facette Sommertheater: Beim Sommertheater begleitet Deckbar dann Abend für Abend live die Aufführungen und Darsteller der Compagnie. 2015 heißt das Stück „Das Jahr Null“. Die Liedtexte schreibt Bernd Kurt Goetz. Freilich greift Deckbar ein, wenn beim unmusikalischen Autor wieder mal die Takte klappern. Das geschieht seit nunmehr 20 Jahren. Gleich beim ersten Treffen machte es Klick. Ihr Erstling „Bördefaust“ in der Galerie Süd im Sommer 1995 schrammte knapp am Prädikat Kultstück vorbei. In der Folge traf man sich bei verschiedenen Projekten. 2005 kehrten Deckbar und Goetz mit der Aufführung des Stücks „Die Geschichte Magdeburgs in einer Vorstellung“ in ein exklusiv gemeinsames Sommertheaterschaffen zurück. In den nächsten Jahren entstanden z. B. Lieder zu „Mitteldeutscher Jedermann“ oder „Editha My Love“. „Deckbars musikalische Einfälle bereichern prinzipiell den Fabelverlauf eines Stücks und den ästhetischen Genuss. Seine Musik hebt Bühnenstücke von mir auf eine höhere Qualität und unterstützt im Besonderen mein Bemühen um einen Spagat zwischen Ernst und Komik“, sagt Bernd Kurt Goetz.
Mythos Spontanität: Außenstehende beobachten Folgendes: Darsteller proben, wenn sie aber an eine Stelle gelangen, wo später gesungen werden soll, behelfen sie sich zwischen genervt und verschmitzt mit einem „Lalala…“. Vielleicht ruft noch jemand: „Der Refrain soll schon fertig sein!“ Irgendwann schlüpft ein Mann, von der Statur Richard Wagners (siehe Bayreuth!) unauffällig, aber sehr selbstverständlich zur Tür herein, setzt sich in eine Ecke und hört zu, um nach einer Weile wieder zu verschwinden. Zurück bleibt lediglich sein Rucksack. Einige Zeit später wiederholt sich dieses Prozedere. In einer Pause sagt Deckbar dann zu der Person, die die Proben leitet: „Wenn du X und Y mal nicht brauchst, schick sie nach nebenan. Ich hab´ was.“ Manchmal fragt auch der Regisseur: „Christoph, hast Du schon was?“ Wenn der bejaht, geschieht es nicht selten, dass die szenische Probe sich in eine musikalische verwandelt. Auf diese Art und Weise führt Christoph Deckbar das Team an einen Punkt, von dem aus niemand mehr ein improvisiertes „Lalala“ intonieren muss.
Das ist ein Wesensmerkmal der Schaffensmethode des Komponisten Christoph Deckbar: Er kommt nicht mit einer fertigen Komposition, die er sich im stillen Kämmerlein ausgedacht hat, auf die Probe und studiert das Ganze ein. Aber damit offenbart sich nur ein Teil der Wahrheit über das System Deckbar. Er selbst relativiert den Mythos um seine Spontanität: „Ich beobachte, was szenisch entsteht und wie das Ensemble reagiert. Ich will wissen, wie sind die, mit denen ich arbeite, und überlege, wie bringe ich deren besondere Fähigkeiten zur Geltung und was würde der Figur gut tun. Aber ich lese auch das Stück gründlich und arbeite Motive und Themen vor, die dann eine Zuordnung erfahren. Ich möchte, dass die Darsteller meine Musik mögen. Ich will sie nicht in etwas zwingen.“
Eine solche Haltung schätzen die Akteure des Sommertheaters sehr, und Schauspieler Ekkehard Schwarz sagt: „Wenn er weiß, er kann was verlangen, dann verlangt er es auch. Er schreibt auf die Leute zu.“ Manchmal dauert es allerdings etwas länger, bis die Muse den Musiker küsst, und es passiert schon mal, dass ein Lied erst Stunden vor der Premiere in die Welt gebracht wird. Goetz regt so etwas inzwischen nicht mehr auf. Er weiß, dass er Christoph vertrauen kann. Neulinge in der Truppe fühlen sich da mitunter verunsichert und zweifeln heimlich Kompetenz und Könnerschaft des Musikers an – bis Deckbar auch sie restlos in seinen Bann zwingt. Gisela Begrich