Hat über Sie die Stasi eine Akte angelegt? Interessiert Sie das heute überhaupt noch? Tausende ehemalige DDR-Bürger sagen: Ja! Tendenz steigend, im Jahr 25 nach der Wiedervereinigung. Allein bis Juni sind bereits mehr als 3.000 Anträge auf Akteneinsicht gestellt worden.
Von Birgit Ahlert
Über 70 Prozent der Anfragenden finden hier etwas“, sagt Jörg Stoye, Leiter der Magdeburger Außenstelle der BStU, Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit. 70 Prozent der Bürger der ehemaligen DDR wurden erfasst, überwacht, ausspioniert, was durch ein Karteikartensystem belegt ist. Rund zwei Millionen dieser Karten befinden sich im Magdeburger Archiv. Sie belegen: Über all diese Personen gibt es ein Dossier. Nicht jede hat eine große Akte. 20 Prozent wurden nur erwähnt oder erfasst. Doch für 50 Prozent gibt es Akten in einer Stärke „von 10 bis 60.000 Blatt“, erklärt Stoye. Bedenkt man, dass vor allem Menschen zwischen 14. und 65. Lebensjahr interessant waren für die Stasi, gab es eine flächendeckende Überwachung der Bevölkerung. Deren Leben wurde in Akten gepresst, mit persönlichen Daten, Informationen, Hintergründen, Verleumdungen. Akten, die das Leben der Bürger zum Teil dramatisch beeinflusst haben.
Magdeburg hat das am umfangreichsten erhaltene bezirkliche Archiv zum Stand 1989, ist von Stoye zu erfahren. Dabei ist längst noch nicht alles lesbar. Zahlreich gibt es Material, das zerrissen wurde – 15.500 Behältnisse mit Schnipseln liegen in den Archiven bereit, zusammengepuzzelt zu werden. Mit der Sortierung und Sichtung des Materials könnten sich Archivare noch über viele Jahre beschäftigen, so Jörg Stoye. Doch hat der Bundestag noch nicht entschieden, wie in Zukunft mit dem Material umgegangen wird, ob sich der Aufwand lohnt. Geld und Arbeitskraft investieren für „alte Geschichten“ 25 Jahre oder mehr nach dem Ende dieses Spionagelandes? Ja!, sagen viele der Betroffenen, die noch immer keine Auskunft haben. Die gelitten haben unter dem Regime und noch immer leiden. Oder die wissen wollen, woher die Brüche in ihrem Leben kommen, warum einige Dinge passiert sind, für die sie keine Erklärung haben. „Manchmal gibt es allerdings keine“, wendet Stoye ein. Manchmal, so seine Erfahrung, ist es einfach auch nur Zufall und keine Intrige der Staatssicherheit. Häufig komme das jedoch nicht vor.
Die meisten Anträge auf „Auskunft, Einsicht und Herausgabe“ von Akten wurden bis 2003 gestellt, belegen die Zahlen. 147.766 allein für den Bereich Magdeburg. Doch auch danach gab es viele: insgesamt 218.203 bis 2014. Im 25. Jahr der deutschen Einheit ist die Tendenz sogar wieder steigend: Bis Juni waren es bereits 3.056, und erfahrungsgemäß kommen die meisten Anfragen in der zweiten Jahreshälfte. „70 Prozent sind Neuanträge“, erklärt Stoye. Die anderen sind „Wiederholer“ mit Nachfragen über neue Funde oder Querverweise. Jeder kann einen Antrag zu sich stellen und unter bestimmten Voraussetzungen auch zu verstorbenen Verwandten, erklärt Jörg Stoye. Es geht jeweils um persönliche Auskünfte. „Wir bieten kein Tagebuch über die DDR.“
Anträge können jederzeit in der BStU-Außenstelle in Magdeburg gestellt werden, bei der Zentrale in Berlin oder online (www.bstu.de).
Informationen gibt es außerdem monatlich bei den regelmäßigen Archivführungen durch die ehemalige Stasi-Bezirksverwaltung, immer am ersten Dienstag im Monat um 17 Uhr, Georg-Kaiser-Straße 7. Nächster Termin: 6. Oktober.