Verstandesamt: Euphorie und die Gefahr von Fehlbewertungen

VerstandesamtHerbstaufschwung am Arbeitsmarkt. So titelte jüngst die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Halle. Erstmals seit 1991 ist die Zahl der Arbeitslosen im Land unter 100.000 gefallen. Im Vergleich zum September sank die Oktoberzahl um 2.500 auf rund 99.200. Verglichen mit dem Vorjahr sind das 11.600 Arbeitslose weniger. Jubel, Trubel, Sektkorkenknaller – im Verstandesamt brach gute Laune aus. Die Behörde erfreut sich stets an positiven Nachrichten, vor allem wenn Indizien dafür sprechen, dass die Nachrichtenverbreiter einen Mangel an Verstandeskraft anzeigen. Es ist allgemein bekannt, das Zustände großer Euphorie häufiger zu Fehlbewertungen führen. Auf einen derartigen Zusammenhang muss auch bei der Regionaldirektion der Bundesagentur geschlossen werden. Wie völlig unterschiedliche Zuordnungen und Zählweisen von 1991 mit heutigen Arbeitslosenzahlen in einen Topf geworfen werden können, ist möglicherweise der bewertungsverschleiernden Euphorie der zuständigen Mitarbeiter zuzuordnen. Auch ein anderer wesentlicher Faktor, der die absoluten Zahlen drückt, hängt keinesfalls mit einem frischen Regen vom Himmel purzelnder Jobs zusammen. Die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse haben zwar in den letzten Jahren leicht zugenommen, gleichfalls sank jedoch auch die Zahl der Erwerbstätigen. Das heißt ganz einfach: mehr Menschen gehen in Rente, auch unter den Arbeitslosen. Aus verstandesamtlicher Sicht wird dieser Trend in den kommenden Jahren anhalten. Die Arbeitslosenzahlen werden weiter sinken und die Anzahl der Ruheständler wird steigen. Im Verstandesamt teilt man die Freude der Mitarbeiter der Arbeitsagentur und fragt vorsichtig an, ob dort künftig Jobs eingespart werden können. Eine Anschlussverwendung überflüssiger Mitarbeiter böte sich dann in der Bundesversicherungsanstalt zur Rentenverwaltung an. Antragsteller und Bearbeiter hätten den Vorteil, sich bereits zu kennen. i. A. Knüllig-Dingeldeu, Verstandesamtsrat