Kind, du bist zu dünn, iss doch mal ordentlich! Jahrzehnte lang wurden wir geprägt von der Auffassung Essen ist gleich Liebe. Generationen von Müttern handelten danach. Liebe geht durch den Magen, der Ausspruch kommt nicht von ungefähr. Und machen wir uns nichts vor: Mutters Essen schmeckt natürlich am besten! Weil es mit Liebe gemacht ist. Irgendwann fingen wir an, uns darüber Gedanken zu machen. Und schufen den Boden für Probleme. Nicht selten beeinflusst persönliche Unzufriedenheit das Essverhalten. Körperkult, Stress, Jungheitswahn wirken sich aus. Das natürliche Gefühl fürs Essen geht verloren, wenn eine Diät die nächste jagt, eine „Wissenserkenntnis“ zur gesunden Ernährung die nächste ablöst und die vorige ad absurdum führt. Ergebnis sind sowohl Unter- als auch Übergewicht. Beides mit gesundheitlichen Folgen, die genau das Gegenteil bewirken als gewollt: geschwächte Gesundheit. Das Fatale: Was wir vorleben, geben wir an die nächste Generation weiter. Die das dann gern noch verschärft. Kommen überzogene Vorbilder der medialen Scheinwelt hinzu, wird aus der Verunsicherung schnell eine Essstörung. Laut Statistik hat sich die Zahl der Betroffenen in 20 Jahren verzehnfacht. Was zeigt: Es handelt sich längst nicht mehr um Ausnahmen. Laut Kindergesundheitsstudie KIGGS zeigen rund 15 Prozent der Jungen und 30 Prozent der Mädchen während der Pubertät ein auffälliges Essverhalten. Nach Zahlen der Barmer Ersatzkasse hat sich die Zahl betroffener Teenager von 2009 bis 2014 fast verdoppelt. Die höchste Anzahl bilden 16-jährige Mädchen mit sagenhaften 35 Prozent. Im Übrigen steigt auch die Zahl der von Essstörungen Betroffenen im Alter 50+ zunehmend. Durch Lebenskrisen, Angst vor Verlust von Erfolg, Anerkennung und Konkurrenzfähigkeit mit dem Älterwerden in der jugendfixierten Gesellschaft. Und wenn Sie jetzt denken, das betrifft Sie alles nicht: Ein typisches Merkmal ist die fehlende Krankheitseinsicht. Familienmitgliedern und Freunden fallen Veränderungen zuerst auf. Bedenklich wird es spätestens, wenn das Essen das Leben bestimmt bzw. das Nicht-Essen. Sprechen Sie darüber. Miteinander oder Ihrem Arzt. Birgit Ahlert-Grunwald Psychologische Beraterin
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