Rege Geschäftigkeit herrscht im Justizgebäude – während sich drinnen die Anwälte Spitzfindigkeiten zurufen, drängen sich draußen vor dem Eingang die Journalisten. Und der Angeklagte schaut grimmig drein – ein unsympathischer Typ, der dann doch aufgrund mieser Tricks seiner Anwälte von einer Strafe verschont bleibt … Derlei Bilder flimmern zu Hauf über den Bildschirm, vor allem in US-amerikanischen Kriminalserien geht es bei Gericht oft heiß her. Alles andere wäre auch nicht fernsehtauglich. Im Magdeburger Landgericht hingegen herrscht selten solche Aufregung. Vor allem an den verhandlungsfreien Tagen ist es ruhig in der Halberstädter Straße 8. Kaum ein Mensch ist auf den Korridoren des 1906 im Stil des Historismus fertiggestellten Gebäudes zu sehen. Die Arbeit spielt sich hinter verschlossenen Türen in den einzelnen Büros ab. 38 Richter und 65 Mitarbeiter sind am Landgericht Magdeburg tätig, das zum Bezirk des Oberlandesgerichts Naumburg gehört. Neben Magdeburg gibt es in Sachsen-Anhalt drei weitere Landgerichte in Halle, Stendal sowie Dessau und zudem 25 Amtsgerichte. „An den Amtsgerichten wird Familienrecht verhandelt – und Fälle, bei denen entweder eine Gefängnisstrafe bis zu vier Jahren zu erwarten ist oder finanzielle Streitigkeiten bis zu 5.000 Euro. Alles, was dieses überschreitet, wird am Landgericht angesiedelt“, erklärt Thomas Kluger, der als Zivilrichter und stellvertretender Pressesprecher am Landgericht Magdeburg tätig ist. Welches Strafmaß zu erwarten ist, prognostiziert die Staatsanwaltschaft. Auch Thomas Kluger nutzt die verhandlungsfreien Tage in seinem Büro, um den Sitzungsalltag zu organisieren. Ja, er muss die Zeit nutzen – wann sonst sollte er in den Akten lesen, Beweismaterial sichten und Urteile schreiben? „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen“, heißt es in Artikel 97, Absatz 1 des Grundgesetzes. Wie kaum einer anderen Berufsgruppe wird deutschen Richtern die Freiheit garantiert. Dies bedeutet jedoch auch, dass ein gewisses Maß an Selbständigkeit notwendig ist, um diesen Beruf auszuüben.
„Dieses hohe Gut der Unabhängigkeit habe ich schon immer an diesem Beruf geschätzt“, erzählt Thomas Kluger. Bereits seit 1993 ist er als Richter tätig, seit 22 Jahren arbeitet er am Landgericht Magdeburg und hat sich zunächst dem Strafrecht und später dem Zivilrecht gewidmet. „Und was passiert, wenn die Unabhängigkeit der Rechtsprechung ausgehebelt wird … wenn die dritte Gewalt nicht mehr funktioniert, das sieht man jetzt in der Türkei.“ Zivilrichter – wie Thomas Kluger – haben üblicherweise zwei feste Sitzungstage pro Woche, Strafrichter hingegen drei. Wie sie die restliche Arbeitszeit einteilen, entscheiden sie selbst. „Grob geschätzt brauche ich neben den beiden Verhandlungstagen einen weiteren Tag zur Vorbereitung, einen zum Schreiben und einen zum Organisieren diverser Abläufe“, meint der stellvertretende Pressesprecher des Landgerichts. Im Mittelpunkt der richterlichen Tätigkeit steht natürlich die rechtliche Bewertung des Verhandlungsstoffes. Am Landgericht werden insgesamt 20 Sachgebiete bearbeitet – komplexe, umfangreiche Themen, in die sich jeder Richter gründlich einarbeiten muss. Die technischen Neuerungen – wie beispielsweise die Einführung juristischer Datenbanken – und die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation haben auch die Arbeit bei Gericht in gewisser Weise beschleunigt. Einen geringeren Aufwand bringt dies jedoch ebenso wenig mit sich wie der zahlenmäßige Rückgang der Fälle. „Dass weniger vor Gericht gestritten wird, hängt zum einen mit dem demografischen Wandel zusammen, zum anderen mit diversen gesellschaftspolitischen Entwicklungen“, meint Thomas Kluger. So hätten beispielsweise in den 1990er Jahren nach der Wende die Bauprozesse einen großen Teil der Verhandlungen ausgemacht, heute seien dies deutlich weniger. „Dennoch bleibt der Aufwand groß, weil man mitunter alte Fälle übernehmen muss und weil viele Sachverhalte immer komplizierter werden – zum Beispiel bei Wirtschaftsprozessen. Da kann das Verlesen der Akten schon mehrere Tage dauern und der Prozess sich über Jahre hinziehen.“ 15 bis 20 Fälle verhandelt Thomas Kluger pro Woche. Im Jahr sind es etwa 2.000 zivilrechtliche Fälle für das gesamte Landgericht. Die inhaltliche Vielseitigkeit ist vermutlich die größte Herausforderung dieses Berufs, der auch emotionale Belastungen mit sich bringt. „Man muss gut mit Konflikten umgehen können und trotz der diffizilen Situation ein rationales Urteil fällen“, entgegnet der Zivilrichter. Eigenschaften, die selten während des Studiums vermittelt werden, denn das Studium ist eine anspruchsvolle theoretische Ausbildung, die acht bis zehn Semester dauert. „Danach absolviert man ein 30-monatiges Referendariat, bei dem man u.a. als Rechtsanwalt, Staatsanwalt und Richter tätig ist. Was danach zählt, ist nur die Note.“ Für Thomas Kluger ist es daher auch wichtig, sich weiterzubilden. „Rhetorik, Körpersprache, Psychologie – dies sind Dinge, die während des Studiums nicht beachtet werden, die aber essentiell sind, um diesen Beruf erfolgreich zu meistern.“ Tina Heinz