Der Einzelhandel in der Magdeburger Innenstadt klagt über ausbleibende Kunden. Der anhaltende Trend, im Internet einzukaufen, wird als ein wichtiger Grund angegeben. Die Beeinträchtigungen durch die Tunnelbaustelle und viele andere Verkehrssperrungen sind ein weiterer. Stadtverwaltung, IHK und IG Innenstadt wollen jetzt mit einer großen Werbekampagne das Herbst- und Weihnachtsgeschäft ankurbeln helfen und mehr Kunden in die City locken. Ob da Plakate, Internetseiten und Radiospots viel helfen, bleibt fraglich. Wie stark sich das Leben beispielsweise in Sachen Mode gegenüber vor 100 Jahren gewandelt, zeigt ein Blick auf frühere Zahlen. 1920 arbeiteten 1.144 Menschen im Schneiderberuf. Heute zählt man insgesamt ganze 56 Handwerksbetriebe, die etwas mit Mode zu tun haben. Darunter sind 19 Maßschneider, zehn Schumacher, eine Handschuhmacherin und 24 Änderungsschneidereien. Um 1900 zählte man neben den vielen Schneidern außerdem 800 Schuhmacher in der Stadt. Egal, welches Bekleidungsgeschäft man einst betrat, nirgends bekam man etwas von der Stange. Mode oder Textilwaren – das war Handarbeit und die wurde zum großen Teil vor Ort selbst hergestellt. Manches Kleidungsstück musste gar viele Jahre halten. Wenn in den großen Filialgeschäften ohnehin das auf den Kleiderstangen hängt, was es ebenso im Online-Shop zu kaufen gibt, dann braucht man natürlich keinen Weg in die Stadt unternehmen. Vielfalt an Formen und Farben, die Inidivualität und die Qualität ist sicher weniger in vereinheitlichten Kollektionen zu finden, die von Millionen Menschen getragen wird. Hier trifft wohl eher der Eindruck, dass eine gewisse die große Modeindustrie mit Massenproduktionen in Asien eher für eine gewisse Uniformität. Vielleicht ist nicht allein die Austauschbarkeit von Massenprodukten der größte Jammer in diesem Prozess, sondern dass wir als Konsumenten mit der Kaufentscheidung für so genannte Marken auch die Fähigkeiten zur eigenen Textilerzeugung abgewählt haben. Drei Hemden- und zwei Blusenfabriken hatte Magdeburg Anfang des vergangenen Jahrhunderts, vier Pelzwarenproduzenten und 31 Lederhandlungen. 16 Männer zählte man 1910 als Damenschneider, 779 für Herren und drei für Knaben. 252 Frauen arbeiteten als Schneiderinnen. Über 40 Herrenausstatter boten damals Männermode feil. Dass es in Magdeburg 1920 nur elf Fachgeschäfte für Damenbekleidung gab, war sicher der Tatsache geschuldet, dass viele Frau selbst schneiderten. Eine Nähmaschine gehörte in jeden guten Familienhaushalt. Der Kompetenzverlust an Handwerkskunst und damit auch das Zusammenschmelzen einer großen Branche, ist die Folge davon, wie Mode heute begriffen und gelebt wird. Wenn Kaffee, Jacken, Hemden und Accessoires nebeneinander im Regal liegen, muss man sich über die Vereinheitlichung einer Angebotskultur wenig wundern.