Die AfD wird eine neue politische Farbe in den Landtag am Domplatz bringen, aber wenig Veränderungen in einem Land mit beschränkten Möglichkeiten.
Für politisch interessierte Menschen liegt vor Sachsen-Anhalt die wohl spannendste Landtagswahl seit der Wiedergründung des Landes 1990. Und es ist eine völlig neue politische Farbe, die die Sitzverteilung im Parlament durcheinanderwirbeln wird. Die Alternative für Deutschland (AfD) kann nach letzten Umfragen mit einem Ergebnis um 20 Prozent der Stimmen rechnen. Der bisherige Koalitionspartner der CDU, die Sozialdemokraten, werden die Verlierer der Wahl sein.
Die Pläne von Katrin Budde, als erste Frau in die Staatskanzlei einzuziehen, sind längst begraben. Ob das Endergebnis reicht, um die bisherige Große Koalition fortzusetzen, hängt auch davon ab, ob und mit wie vielen Sitzen die kleineren Parteien abschneiden. Bündnis 90/Die Grünen und die FDP sind vor der Abstimmung am 13. März noch nicht sicher im Landtag vertreten.
Jedem ist klar, dass der Erfolg der AfD unmittelbar mit den Flüchtlingsströmen der vergangenen Monate und der Politik der Bundeskanzlerin verknüpft ist. Die drei Landtagswahlen, die zeitgleich in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt stattfinden, sind Ausdruck dafür, dass in der Bevölkerung eine spürbare Ablehnung zur Asylpolitik existent ist. Zwar kann kein Landesparlament in dieser Frage Entscheidungen treffen. Aber mit dem Stimmengewinn der AfD soll ein Signal nach Berlin gesendet werden. Der Flüchtlingsstrom ist zwar aufgrund der Grenzschließungen auf dem Balkan zunächst abgerissen, doch der Konflikt in Syrien ist noch lange nicht gelöst.
Die CDU wird nach der Wahl die stärkste politische Kraft in Sachsen-Anhalt bleiben und sicher den Ministerpräsidenten stellen. Die Christdemokraten werden nur allein mit der SPD weiterregieren können, wenn sie einerseits ein Resultat von rund 30 Prozent der Stimmen einfahren und die SPD bis zum Wahltag nicht noch weiter abrutscht. Eine schwarz-rot-grüne Koalition ist genauso möglich wie die Fortsetzung der bisherigen Regierungsfarben. Sollten die Grünen und die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, CDU und SPD zusammen auf keine Sitzmehrheit kommen, muss gar über eine Minderheitsregierung nachgedacht werden. Eine schwarz-rot-rote Koalition wird kaum zustande kommen, genauso wenig wie eine Beteiligung der AfD an der Regierung. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat letzteres konsequent abgelehnt. Sollte keine regierungsfähige Mehrheit in politisch gewollter Zusammenarbeit möglich sein, können sich die Parteien nicht mit Neuwahlen aus der Verantwortung ziehen. Das Bürgervotum muss akzeptiert werden. Einen Weg zu Neuwahlen können sich Parteien nur bahnen, wenn alle Koalitionsverhandlungen scheitern und kein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten nach drei Wahlgängen eine Mehrheit erhält.
Welchen Einfluss werden die neuen AfD-Parlamentarier auf die Gesetzgebung des Landes haben? Bei Fortsetzung der CDU-SPD-Regierung mit Parlamentsmehrheit zunächst nur einen marginalen. Anders allerdings im Fall einer Minderheitsregierung. Polizei, Bildung, Kinderbetreuung und Kultur sind die Hauptfelder in Landesverantwortung. 2016 verwaltet die Regierung einen Etat mit rund 10,5 Milliarden Euro. Da sind die Verteilungsspielräume nicht sehr groß. Bei der Polizei wollen derzeit alle aufsatteln. Beim Thema Bildung will sich niemand gern den Rotstift anheften lassen, bei allen weiteren öffentlichen Aufgaben wie Feuerwehren, Kinderbetreuung, Unterstützung des ländlichen Raumes etc. auch nicht. Es wird also kaum einen Politikbereich geben, in dem gewaltige Änderungen zu erwarten wären. Die AfD mit unrealistischen Forderungen kann maximal Effekthascherei betreiben.
Nur gut 40 Prozent am Gesamthaushalt von Sachsen-Anhalt kommt aus eigenen Steuereinnahmen. Über die Hälfte der Mittel bezieht das Land aus Bundes- und Europazuweisungen. Diese Tatsache zeigt, wo wirklich der Schuh drückt, nämlich bei der Wirtschaftskraft. Ein echter Schwung mit großen finanziellen Effekten könnte nur aus einem enormen Wachstum heraus entstehen. Regierungspolitiker müssten Risiko und Verantwortung übernehmen, in unternehmerische Ideen zu investieren, vor allem in solche, die weltweit noch in den Kinderschuhen stecken. Visionäre und Weitsicht braucht Sachsen-Anhalt, um aus dem Tal der Bittstellerländer heraustreten zu können.
Visionäre Konzepte und Positionen zur Ideenförderung enthält das AfD-Wahlprogramm nicht, außer das eine flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetzugängen gefordert wird. Das steht in den Programmen der anderen Parteien auch. Allerdings ergehen sich die Programme der etablierten Parteien ebenfalls nur in allgemeinen Bekundungen. Wunder sind von keiner Seite zu erwarten. Das etwaige Fünftel neuer Abgeordneter mit AfD-Parteibuch wird sich zunächst mit den parlamentarischen Gepflogenheiten vertraut machen müssen und schnell merken, dass man vom Magdeburger Domplatz aus den Weltenlauf schwer beeinflussen kann und selbst Gesetzgebungsprozesse ihre Zeit brauchen, bis sie zur Abstimmung kommen können. Und am Ende spielt es kaum eine Rolle, wer dagegen gestimmt hat.
Thomas Wischnewski