Politik kann wortreich jubeln, nur bei den Zahlen wird gekniffen.
Politisch kann man trefflich streiten. Manchmal ist es eine regelrechte Freude, wortgewaltigen Argumenten zu folgen. Nur was nutzt die blumigste Sprachphrase, wenn sie nicht mit Fakten unterlegt werden kann.
Das Landeswirtschaftsministerium wehrt sich vehement gegen die Behauptung einer nicht repräsentativen Umfrage, dass Sachsen-Anhalt im deutschen Gründergeschehen die Rote Laterne schwenkte. Die Studie der Wirtschaftsberatungsfirma KPMG hatte gut 1.000 Startups befragt, aber aus dem Luther-Land hätten sich nur zwei gemeldet. Das ist natürlich kein glaubhaftes Abbild, wie gründungsaffin Menschen hier sind. Der Wirtschaftsstaatssekretärin Dr. Tamara Zieschang war die Berichterstattung über die Umfrageergebnisse ein spitzer Dorn im Auge, sodass sie unverzüglich eine Reaktion auf der Internetseite ihrer Behörde veröffentlichen ließ. Um die Lebendigkeit der Gründerszene in Sachsen-Anhalt hervorzuheben, durften sich namhafte Persönlichkeiten unter der Argumentation der Staatssekretärin versammeln. Der Geschäftsführer der Univations GmbH, einem Institut der Martin-Luther-Universität, Daniel Worch, durfte das vom Institut organisierte Investforum loben. „Das diesjährige Investforum war ein voller Erfolg. 60 Prozent der angetretenen Teams kamen aus Sachsen-Anhalt“, wird er zitiert. Eine genauere Zahl erfährt man nicht. Frau Dr. Zieschang reiht weiter Erfolgsworte an Hoffnungssprache. Von fortgesetzter Existenzgründerinitiative ist die Rede, und Traudel Gemmer, Geschäftsführerin der BPC – Die UNTERNEHMERinnen GmbH berichtet: „So konnten wir ganz aktuell erfolgreich eine Gründerin in die Unternehmensnachfolge begleiten. Sie wird einen Blumenhandel weiterführen.“ Die Welt ist begeistert und klatscht frenetisch. Sogar Uni-Rektor Prof. Dr.-Ing. Jens Strackeljan betont die Bedeutung der Hochschulen für das Gründungsgeschehen. Klasse! Noch ein unschlagbares, faktenreiches Argument zur Unterstreichung des sachsen-anhaltischen Gründerbooms. Man wühlt sich durch die positiven Botschaften und wird regelrecht mitgerissen von den Aufbruchsgedanken und dem Jubelstück über die unternehmungslustigen Leute. Bis zum letzten Buchstaben ist jedoch nicht eine einzige konkrete Zahl über die tatsächlichen Firmengründungen aufgelistet. Also 82 Millionen Euro steckt das Land in die Gründungsförderung, aber was dabei rauskommt, bleibt verborgen. Schöne Sprache, große Worte, gewichtige Floskeln – doch wie lauten die Fakten?
Thomas Wischnewski