Putzwahn nennen wir das manchmal lapidar, wenn uns die Reinlichkeit einer anderen Person auf den Nerv geht. Gerade Frauen, noch dazu, wenn Kinder im Haushalt leben, haben gern diesen Tick. Möglichst „keimfrei“ soll alles sein, geputzt, gewienert, tiefenrein. Nichts dagegen einzuwenden. Außer vielleicht, dass übermäßige Reinheit gerade bei Kindern die Entwicklung eigener Abwehrkräfte mindert. Doch das ist ein anderes Thema. Heute geht es hier vielmehr um die Frage: Bin ich reinlich oder steckt ein Zwang dahinter? Kennen Sie das: In anderen Gebäuden (z.B. bei öffentlichen Toiletten) nutzen Sie möglichst nicht die Klinke, sondern greifen an die Türkante oder öffnen die Tür mit dem Ellbogen? Drücken Sie im Fahrstuhl den Etagenknopf lieber mit dem Fingerknöchel oder nehmen (so vorhanden) die Tastenwahl auf der entfernteren Seite? Nutzen bei Treppen nicht den Handlauf, sondern die Stäbe darunter? In der Hoffnung, dort greift niemand anderes hin? Kaum zuhause – Hände waschen! Das sollte auch der Besuch tun? Sie wollen möglichst niemandem die Hand geben? Oder wenn es sein muss, danach sofort die Hände waschen? Woran ist zu erkennen, ob es sich um gesunde Abwehr mit „kleinem Tick“ oder Reinigungs- und Waschzwang – so die offizielle Bezeichnung – handelt? Ein Merkmal im Selbsttest ist die Frage: Nervt es mich selbst, wenn ich das tue, und kann ich es unterbinden? Erkrankte wissen sehr wohl, dass ihre Handlungen unsinnig bzw. übertrieben sind, müssen sie aber trotzdem immer wieder in derselben (stereotypen) Weise tun. Sie haben panische Angst bzw. Ekel vor Schmutz, Bakterien, Viren, Körperflüssigkeiten anderer. Sie wollen damit nicht in Berührung kommen, und wenn doch, dann folgen Rituale, wie ständiges Waschen. Bedenklich wird es, wenn Zwangsgedanken und -handlungen das Leben behindern. Wenn der Zeitaufwand dafür den Alltag beeinträchtigt, soziale Kontakte verhindert, die Angst vor „Fremdkontakt“ dazu führt, nicht mehr aus dem Haus zu wollen. Dann kann ein Fachgespräch hilfreich sein. Wenn Sie sich selbst jedoch solche Handlungen verbieten können, mindestens für zwei Wochen, dann sind Sie im gesunden Bereich.
Birgit Ahlert-Grunwald, Psychologische Beraterin
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