Das Stadion „Neue Welt“ war Schwimm-Mittelpunkt bei Sport und Freizeit
Einer der beliebtesten Ausflugsorte in Magdeburg war das Stadion „Neue Welt“.
Die ehemalige Sport- und Erholungsanlage an der Berliner Chaussee war ab 1930 ein Schwimm- und Strandbad mit angeschlossener Gastronomie. Errichtet und eingeweiht wurde das Schwimmbad vom 1924 gegründeten sozialdemokratischen „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner“. Neben reichlichen Sportgelegenheiten gehörte zum Areal später auch eine Freilichtbühne. An der ehemaligen Königsborner Straße – der heutigen Berliner Chaussee – existierte allerdings schon seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Ausflugslokal. Seit 1911 trug das Ausflugslokal den Namen „Neue Welt“.
Mit dem Verbot des Reichsbanners durch die Nationalsozialisten (1933) wurde das Areal beschlagnahmt und wettkampftauglich ausgebaut. Direkt an das Schwimmbad angrenzend entstand in Vorbereitung der Europameisterschaften 1933 ein Wettkampfbecken. Verantwortlich für Vorbereitung und Ausrichtung war der Magdeburger Schwimm-Club 1896. Finanziert wurde das Projekt von der Wilhelmsbad e.G. – ein Zusammenschluss elbestädtischer Wassersportvereine und Betreiber des damaligen Wilhelmsbades in Stadtfeld. 1934 traf sich hier Europas Sportelite zu den Meisterschaften im Schwimmsport. Täglich pilgerten vom 12. bis 19. August bis zu 15.000 Magdeburger und Gäste an die Wettkampfbahn, um Spitzensportler aus 23 Nationen anzufeuern. Turm- und Kunstspringer, Wasserballer und Schwimmer wetteiferten hier um Medaillen. Ausverkaufte Ränge auf den extra errichteten Zuschauertribünen zeugten vom Sportenthusiasmus der Schwimmerhochburg Magdeburg. Glanzstück des Europa-Beckens war ein einmaliger hydraulisch betriebener Sprungturm. Unrühmliche Zeiten waren die Herrschaft der Nationalsozialisten – die „Neue Welt“ diente als Folterstätte und provisorisches Konzentrationslager. Ein Gedenkstein erinnert an dieses Kapitel der Geschichte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog wieder Leben in die „Neue Welt“. Das Strandbad mit Ausflugslokal wurde als Erholungsort genutzt. Viele Magdeburger können sich sicherlich noch an die Mutproben auf der 10-Meter-Plattform am Sprungturm erinnern. Seit der Eröffnung war die Stahlbetonkonstruktion Wahrzeichen des Bades. Eine Überflutung des Geländes im Jahr 1988 beschädigte das Schwimmbad erheblich. Aus hygienischen Gründen schloss das Strandbad zwei Jahre später. Ein Feuer vernichtete im Jahr 2012 das Gaststättengebäude, das bei so manch männlichem Magdeburger einen faden Beigeschmack hinterließ. Bis zum Ende der DDR fanden hier die unliebsamen Musterungen zur Wehrtauglichkeit bei der Nationalen Volksarmee statt.
Der Dornröschen-Schlaf soll an der Berliner Chaussee allerdings vorbei sein. Es laufen Pläne, auf dem Schwimmbadgelände ein Adventure-Golf- und Kulturgelände zu errichten, welches auch den ehemaligen Badesee als Naturbühne einbezieht. (rf)