Klappe auf, Essen drauf

Automat - Kowe - Breiter Weg 26 - 02Die Ausgehkultur von heute hat sich im Vergleich zur Ausgehkultur von vor 100 Jahren deutlich gewandelt. Eins ist jedoch gleich geblieben: Nach dem Feiern kommt
der Hunger …

von Tina Heinz

Spätabends auf dem Heimweg vom Schwoofen. Viel gefeiert, viel getanzt … der Hunger ist groß, der Durst ist es nach wie vor. Aber wohin gehen, zu einer Zeit, da Fast-Food-Ketten noch nicht existieren und Restaurants nicht rund um die Uhr geöffnet haben? In die Automaten-Gaststätte natürlich. Elektrisch – automatisch. Sich selbst bedienen, keine Wartezeit und kein Trinkgeld! „Rasch. Gut. Zwanglos.“ So stand es auf einem Schild des Restaurants „Automat“ im Breiten Weg 26. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte diese Form der Gastronomie einen weltweiten Boom, der in Deutschland seinen Anfang nahm.

Automat - Kowe - Breiter Weg 26 - 03Auch in Magdeburg gab es diese elektrisch-automatischen Restaurants, u.a. am Alten Markt, in der Ulrichstraße und – wie bereits erwähnt – im Breiten Weg. Die im Jugendstil eingerichtete Gaststätte „Automat“ versprühte mit Sicherheit einen gewissen Charme, doch die fehlende Geschäftigkeit aufgrund des nicht vorhandenen bzw. nicht sichtbaren Personals mag befremdlich gewirkt haben. Ein leeres Restaurant, das hinter kleinen Fensterchen Lebensmittel versteckte. Im „Automat“ konnte man sich linkerhand mit Bier versorgen. Auf der rechten Seite warteten belegte Brötchen in den kleinen Schließfächerartigen Boxen. Im hinteren Bereich, unter dem Schild „Conditorei“ wurden all diejenigen fündig, die Heißhunger auf Süßes hatten. Zehn Pfennig in den jeweiligen Schlitz für den Münzeinwurf gesteckt und schon konnte man sich beispielsweise Cracauer Goldbier „zapfen“ oder das Fensterchen aufklappen, hinter dem sich das gewünschte belegte Brötchen befand.

Automat Cafe FrancaisDer kellnerlosen Gastronomie war hierzulande jedoch kein langes Leben vergönnt. Während in den USA spätestens mit dem Auftauchen der Fast-Food-Billigkonkurrenz die Automaten-Restaurants aufgrund von zu hohen Kosten schließen mussten, war die Ära der Selbstbedienungs-Gaststätten in Deutschland bereits vor dem Zweiten Weltkrieg vorbei. Ein Grund dafür war technischer Natur: Die Inflation brachte mehr und mehr Scheine, die an den Münzautomaten freilich nicht nutzbar waren. Nur in wenigen Einrichtungen konnte man Bares gegen Metallmünzen tauschen.

Automat - Otto - Alter Markt - 01Der gewichtigere Grund war jedoch der hohe Aufwand und die damit verbundenen Kosten. Zwar mochte eine Einrichtung wie der „Automat“ am Breiten Weg den Eindruck vollkommener Personallosigkeit vermittelt haben, aber die Getränke und die Fächer mit belegten Brötchen wurden schließlich nicht von Geisterhand aufgefüllt. Nur weil die Gäste vom regen Treiben hinter den Fassaden nichts merkten, heißt das nicht, dass der Arbeitsaufwand in den elektrisch-automatischen Restaurants geringer war als in anderen Gaststätten. Das Essen musste zubereitet, die einzelnen Boxen befüllt werden. Falls auf der anderen Seite der Fassade etwas entnommen wurde, musste gleich wieder nachgelegt werden. Und die Speisen durften natürlich auch nicht ewig in den Fächern kredenzt werden, wollte man den Eindruck von Frische erwecken. Also musste entsorgt werden, was zu lange hinter den Fensterchen lag.

Automat Robert SolleAufwand hin oder her – in den USA lief es für die Automaten-Restaurants auch nach dem Zweiten Weltkrieg (noch) gut. Deshalb sollten sie in Deutschland ebenfalls eine neue Chance erhalten. „Modernisierung, Mechanisierung und Automatisierung“ lautete die Weisung eines Fünfjahresplans der DDR-Staatsführung, die Mitte der 1950er gegeben wurde. Wie die sozialistische Tageszeitung „Neues Deutschland“ am 19. Januar 1954 berichtete, sollte auch in Magdeburg die automatische Gastronomie wieder angekurbelt werden: „Zur besseren Versorgung der Bevölkerung schlägt die Bezirksleitung in ihrem Plan Verkaufsbasars auf dem Lande vor, Milchtrinkhallen, Fischbratküchen und Automatengaststätten in Magdeburg.“

Automat1Bleibende Eindrücke scheinen diese jedoch nicht hinterlassen zu haben. Als vergänglich hat sich die Magdeburger Automaten-Gastronomie erwiesen. Anders als in den Niederlanden. Denn dort gibt es noch heute diese Restaurants, in denen sich der Genießer Burger aus den Fächern der Febo-Fastfood-Kette ausspucken lassen kann.