Eines schönen Spätsommertages, Ende August, ging ich einkaufen. Nun ist das nichts Besonderes. Doch diesmal war es anders. Nein, nicht weil das komplette Warensortiment im Supermarkt umgeräumt war. Warum tun Menschen so etwas? Möchte man durch Suchen und Fluchen erreichen, dass man sich länger als nötig in den Einkaufstempeln aufhält? Das ganze Spielchen ist Frustration pur. Da, wo einst die Fruchtsäfte im Regal zu Hause waren, standen plötzlich die hochprozentigen Säfte. Das kann zu irreversiblen Verwechslungen führen und sogar den Führerschein kosten. Wo sonst die angeblich „arschfrischen“ Eier von glücklichen Freiland-Hühnern ihr regales Nestchen hatten, lagen – und ich traute meinen Augen nicht – gut eingepackte Christstollen. Im Regal über den Stollen standen hunderte Schokoladenweihnachtsmänner Wache. Und das Ende August. Bitte? Wer kauft denn im August einen Weihnachtsstollen um ihn dann in der Adventszeit zu verspeisen? Bei aller backtechnischen Innovation ist der Stollen dann so hart, dass man damit locker die Schlaglöcher auf der A 14 ausfüllen könnte. Fazit des Einkaufsvorgangs: Ich wusste nun, dass in spätestens vier Monaten das Fest der Feste vor der Tür steht. Ein bisschen wütend dachte ich: Dieses Jahr mache ich die Tür nicht auf. Ich entziehe mich konsequent dem Vorweihnachtsstress. Alles nur monetäre Schlachten in den Centern. Menschenmassen erdrücken sich gegenseitig, um an die gewollten Geschenke zu kommen. Die aber, welche man mit Geschenken bedenken möchte, tun ja das Gleiche. So verdoppelt sich die Masse der Menschen und es entsteht noch Druck, also auf den Rolltreppen. Jeder muss jedem etwas schenken. Natürlich liebevoll in Geschenkpapier verpackt.
Nach dem Fest werden die Müllmänner zu wahren Helden der Nation. Ein ganzes Gebirge von aufgerissenen Geschenkpapierbergen und Verpackungsmaterial gilt es nun artgerecht zu entsorgen. Ich glaube, zur Zeit des Festes atmet die Umwelt besonders schwer durch. Die Zeit zum Umdenken ist längst überfällig. Warum kürzt man den Vorgang des Schenkens nicht einfach und ökologisch ab. Man lässt sich von dem, den man beschenken möchte die Bankverbindung geben und überweist von zu Hause aus mittels Online-Bankig einen gewissen Geldbetrag. Etwa so viel, wie man selbst vom anderen erwartet. Dann setzt man unter die Überweisung, so wie man einen Smiley setzt, ein kleines rotes Schleifchen. Das soll dann symbolisieren: Ich wünsche dir ein besinnliches Fest.
Sollte jetzt der Gedanke aufkommen, ich sei ein Feind dieses Festes, so stimmt das nur bedingt. Wenn es am Heiligen Abend schneit und der Schnee nach dem zweiten Feiertag wieder taut, kommt auch bei mir so etwas wie leichte Melancholie auf. Wenn ich dann aber den Baum schmücke, ist eine gewisse Portion Selbstdisziplin von Nöten. Begleitet von stillen Flüchen, entwirre ich die total verknäuelte Lichterkette und nehme mir vor, sie diesmal nach dem Abschmücken ordentlich in den Karton zu legen. Am heiligen Abend, kurz vor 17 Uhr steigen doch irgendwie Emotionen in mir hoch. Als stolzer Großvater von vier sehr wohlgeratenen Enkelkindern, die vor Vorfreude und einer riesigen Portion Aufregung fast platzen, kommt es mir zu, sie auf dem Teppich zu halten.
Punkt 18 Uhr klingelt es an der Tür. Die Kinder werden plötzlich still und artig. Wissen sie noch vom letzten Jahr: Das kann nur der Weihnachtsmann sein. Dann öffnet sich die Wohnzimmertür und der Weihnachtsbaum überstrahlt alle Dunkelheit im Zimmer. Die Kinder singen dem guten Alten ein Lied zur Begrüßung. Dann werden die Geschenke gereicht. Der Weihnachtsmann verabschiedet sich, verbunden mit der Mahnung immer schön artig zu sein. Doch diese Mahnung verhallt in einer sehr lauten Geschenkpapieraufreißorgie.
Und dann? Dann ist Weihnachten. Dann werden die Geschenke getestet. Auch ich spiele. Klavier. Mit meinem großen Enkelsohn an der Gitarre singen drei Familien die schönsten Weihnachtslieder. Sogar mehr als nur die erste Strophe. In die Lieder mischt sich Entenduft. Genau in diesem Moment überfällt mich der eine Gedanke: Weihnachten kann doch so wunderbar sein. Ich wünsche allen Lesern ein beschauliches und geruhsames und je nach Konfession ein gesegnetes Weihnachtsfest. Vielleicht treffen wir uns ja beim Geschenke einkaufen. Herzlichst Ihr Frank Hengstmann