Boxen kann gnadenlos sein. SES-Schwergewichtler Francesco Pianeta hatte einen großen Traum: Er wollte nach Max Schmeling der zweite deutsche Weltmeister in der Königsklasse werden. Doch schon nach 2:57 Minuten in der 1. Runde des WM-Duells am 11. Juli hatte sich der Traum des Herausforderers von WBC-Champion Ruslan Chagaev in Luft aufgelost.
Der in Hamburg lebende Usbeke hatte zu keinem Augenblick der ersten drei Minuten Zweifel daran aufkommen lassen, dass Pianetas Hoffnungen wahr werden könnten.
Hoffnungen hatte wohl auch Promoter Ulf Steinforth mit einem Sieg Pianetas verbunden. Schließlich hätte er mit einem deutschen Schwergewichtsweltmeister auch ein sportliches Idol im Magdeburger Stall gehabt, das die Entwicklung des gesamten Teams in neue Sphären katapultiert hätte. Hoffnungen sind halt nur so lange gut, so lange es Hoffnungen bleiben.
In dieser Woche hofft ein weiterer Schützling von SES-Trainer Dirk Dzemski auf Ruhm und Ehre. Robert Stieglitz, Ex-Weltmeister im Super-Mittelgewicht, wird am 18. Juli zum vierten Mal gegen Arthur Abraham antreten. Nach dem dritten Duell am 1. März 2014 steht es zwischen den beiden Kontrahenten 2:1 für Abraham. Zweimal gewann der Berliner nach Punkten, einmal der Magdeburger vorzeitig durch technisches K.o.
Die vierte Begegnung im „Gerry Weber Stadion“ in Halle (Nordrhein-Westfalen) soll nun endgültig das Finale sein. Der Fight ist für Stieglitz noch einmal die Hoffnung, Weltmeister werden zu können. Und natürlich möchte es Abraham bleiben. Auch er hofft. Mit Robert Stieglitz hoffen das gesamte Team um Ulf Steinforth und die Magdeburger Boxfans. Denn mit der ganz persönlichen Hoffnung ruht auf dem 34-jährigen Stieglitz auch eine große Bürde. Sollte sich das Hoffen nämlich ähnlich wie bei Pianeta am Ende in Luft auflösen, schwebt über dem Magdeburger Berufsboxer das Karriereende. Eine dritte Niederlage gegen Abraham lässt kaum Hoffnungen für einen neuen Anlauf an die Weltspitze zu. Der letzte Kampf, den der SES-Profi gegen Felix Sturm bestritten hatte, endete mit einem Unentschieden. Viel Hoffnung wird man ohne Sieg dann nicht mehr in ihn setzen, selbst, wenn er heldenhaft verlieren sollte.
Die Sportart Boxen ist verdammt dazu, Helden zu produzieren. Nur siegreiche Helden verkörpern die Hoffnung, für Fans Vorbilder und Identifikationsfiguren sein zu können. Insofern verbindet sich mit dem Finale zwischen Stieglitz und Abraham für den Promoter Ulf Steinforth zusätzlich eine wichtige Hoffnung für einen Sieg seines Boxers. Denn der TV-Vertrag mit SAT.1 ist eng mit den Namen Pianeta und Stieglitz verknüpft. Pianeta kann nach seiner K.o.-Niederlage so schnell nicht mehr als Zugpferd herhalten. Deshalb schaut jetzt jeder auf den Super-Mittelgewichtler.
Die Nachwuchstalente im SES-Boxstall mit Tom Schwarz (Schwergewicht), Michael Wallisch (Schwergewicht), Dominik Bösel (Halbschwergewicht), Weltmeisterin Christina Hammer (Mittelgewicht) und vielen anderen sind zwar da, doch reicht die Strahlkraft ihrer Namen möglicherweise noch nicht aus, um auf der Bühne eines großen, privaten TV-Senders zu stehen. Zwar fördert der MDR derzeit mit eigenen Live-Übertragungen die Box-Hoffnungen aus dem Magdeburger Stall, für die ganz großen Fights mag das aber noch nicht reichen. Robert Stieglitz hofft also nicht nur auf eine Wiederkehr als Weltmeister, sondern auch auf eine Fortsetzung des sportlichen Erfolgsprodukts SES aus Magdeburg im weltweiten TV-Geschäft. Hoffnungen reichen am Ende nicht aus. Im Boxen müssen immer Siege her, sonst stirbt nicht die Hoffnung zuletzt, sondern gar die Quelle für neue Hoffnungen.
Thomas Wischnewski