Cabaret Musical mit eindringlichen Szenen und ernstem Hintergrund

cabaret_adrian-becker-ckirsten-nijhofBerlin wird nicht von Engeln bewohnt – aber es gibt nur diese Stadt, in der man leben möchte. Kurt Tucholsky brachte die ausklingenden „wilden Zwanziger“ in einem Satz auf den Punkt. Überall herrscht eine krankhafte Hektik danach, sich zu amüsieren. Die Stimmung in Deutschland gleicht einem Tanz auf dem Vulkan.

Zu diesem Zeitpunkt angesiedelt ist der neuste „musical“ische Husarenstreich des Theaters der Landeshauptstadt Magdeburg. In den zwei Akten des Musicals von John Kander, Fred Ebb und Joe Masterhoff wird der Zuschauer in eine Welt entführt, die politisch instabil und noch von der Weltwirtschaftskrise gebeutelt ist. In Deutschland wachsen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Indem sie sich diese Zeitströmungen zu eigen machen, gewinnen die Nationalsozialisten politisch an Einfluss. Genau das erlebt der amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw (Oliver Morschel) bei seiner Ankunft Silvester 1929 in der Metropole Berlin. „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ – seine Ankunft und den Jahreswechsel begießt Cliff im Kit-Kat-Club, einem zweitklassigen Nachtclub. Er verliebt sich in die junge Sängerin Sally Bowles (Anna Preckeler), umjubelter Star des Abends, eine eigenartige und extraordinäre Engländerin. Doch die Zeit ist nicht geschaffen für Beziehungen.cabaret_adrian-becker-ckirsten-nijhof Das muss auch Pensionswirtin Fräulein Schneider (bravourös dargestellt von Kammersängerin Undine Dreißig) am eigenen Leib erfahren, als sie sich mit dem jüdischen Obsthändler Herrn Schultz (Peter Wittig) ins Eheabenteuer stürzen will. Die mehr und mehr Oberhand gewinnenden Nationalsozialisten verschärfen die politische Situation. Menschen müssen sich entscheiden – dabei zerbrechen sie und ihre Beziehungen. „Lasst eure Sorgen zu Hause, hier bei uns ist das Leben wunderschön!“ – so der Conférencier (Adrian Becker in Höchstform) des Kit-Kat-Clubs, der durch das Stück führt, als Unterhalter, Kommentator, Verführer und Entlarver zugleich. Überzeugend das Bühnenbild, welches das Geschehen näher ans Publikum bringt. Überzeugend alle Darsteller und Musiker. Cabaret – das ist ein Abend, dessen Schluss mahnend in Erinnerung bleibt. (rf)