Das große Vergessen

sportverletzungMissgeschicke sind im Sport so alltäglich wie anderswo im Leben.

Von Rudi Bartlitz

Die Vergesslichkeit, sagt man gemeinhin, ist die ungeliebte kleine Schwester der Erinnerung. Diesem Leitsatz aller Betroffenen kann der Sport nur beipflichten. Nehmen wir nur mal, um Personen der aktuellen Zeitgeschichte zu schützen, die Erinnerung an die Eröffnung der neuen Magdeburger Arena vor nunmehr fast zehn Jahren.

Es sollte ein ganz, ganz großer Tag werden, ausverkauftes Haus, live im TV, die Honoratioren-Schar angeführt vom Fußball-Kaiser; für Jüngere: der Franz, der besaß damals noch richtige Zugkraft. Doch plötzlich heftiges Rumoren in den Katakomben, die Spieler von Werder Bremen dachten laut darüber nach, nicht aufzulaufen. Das schöne Fest drohte zu implodieren. Was war geschehen? Auf großen Teilen der Rasenfläche hatte sich der Frost eingenistet, das Zentrum glich einer Eisbahn. Hatten die Medien nicht Wochen zuvor in höchsten Tönen von der nigelnagelneuen hochmodernen Rasenheizung geschwärmt? Die Lösung war simpel: Die Magdeburger Fußballchefs hatten einfach vergessen, sie rechtzeitig einzuschalten.
Bleiben wir ruhig noch einige Sekunden beim Fußball und beim Stichwort einschalten. Vor jedem Punktspiel ertönen in der Arena feierlich die Gloc-ken des Doms. Nur einmal nicht. Da hatte der etatmäßige DJ frei und sein Ersatzmann verhedderte sich in den schier zahllosen Reglern. Als das berühmte Kommando „… und jetzt die Glocken des Doms“ kam, dröhnte aus den Lautsprechern mehrfach die alte Fußballweise: „We are the Champions“. Dass Malheure auch woanders stattfinden, zeigt dieses Beispiel: Der Brasilianer Ramalho reagierte zunächst ganz richtig, als er unter schlimmen Zahnschmerzen litt: Er ging in die Apotheke und besorgte sich ein Mittel dagegen. Dennoch musste er die nächsten drei Tage im Bett verbringen – er hatte den Hinweis vergessen, dass Zäpfchen nicht zum Schlucken da sind. Ganz schlecht ist es, Operationen an sich selber durchzuführen. Der englische Stürmer Darius Vassell wollte eine Blutblase unter seinem großen Zeh selbst entfernen. Er benutzte klugerweise eine Bohrmaschine, um den Nagel aufzubohren. Der Zeh infizierte sich, am Ende musste der ganze Nagel entfernt werden. Vassell fiel lange aus. Nicht ganz so arg traf es den Norweger Svein Grondalen. Er musste nur ein Länderspiel absagen, nachdem er beim Joggen mit einem Elch zusammengestoßen war.
Dass es einen auch erwischen kann, wenn man gar nicht selbst auf dem Rasen aktiv sein will, musste ein Magdeburger Zeitungskollege erfahren. Um zu einem FCM-Spiel ins sächsische Auerbach zu gelangen, gab er brav die Daten ins Dienstwagen-Navi ein. Als dies ihm signalisierte, er sei am Ziel seiner Wünsche angekommen, teilten ihm irritierte Einheimische mit, sie wüssten nicht, wovon er rede. Mit Fußball sei hier nichts. Der Kollege hatte übersehen, dass es in Sachsen zwei Auerbachs gibt. Er war im falschen. Weil wir gerade bei Magdeburger Kollegen sind: Als einer zur Handball-Dienstreise nach Gummersbach aufbrach, erwischte ihn eine der üblichen Staufallen auf der A2. Schließlich vor der Halle im Oberbergischen eingetroffen, kamen ihm die Zuschauer schon entgegen. Zumindest mit dem Endergebnis konnten sie aushelfen.  Fast noch ärger traf es einen aus unserem Berufsstand, als er einst ins Trainingslager der Handballfrauen wollte. Auf der Autobahn hatte er plötzlich vergessen, in welches Lager er eigentlich wollte. Also fuhr er kurzerhand ins bekanntes-te, ins brandenburgische Kienbaum. Sein aufgeregter Anruf in der Redaktion ist mittlerweile legendär: „Hier ist keiner.“
Es war zwar kein Missgeschick im ursprünglichen Sinne, spaßig aber allemal. Als der Kapitän der SCM-Handballer, der Holländer Fabian van Olphen, noch für Nettelstedt auflief, appellierte er einmal zusammen mit einem Landsmann ans Publikum, zur nächsten Heimpartie doch bitte orange gekleidet zu erscheinen, weil sich die niederländische Königsfamilie angekündigt habe. Die wolle man überraschen. Und tatsächlich, die Fans ließen sich nicht lumpen, am Spieltag prangte die Halle in strahlendem Orange – von Königin und Hofstaat weit und breit keine Spur.  Ob die beiden Witzbolde dafür in Regress genommen wurden, ist nicht überliefert.