Die roten Linien der Schwarzen

thomas_editorialPolitik ist Diskussion. Und eine solche wollte das Theater der Landeshauptstadt im Januar mit dem 2. Politischen Salon auf die Bühne stellen. Unter dem Motto „Falsch abgebogen? – Rechtsruck in Sachsen-Anhalt und Europa“ sollten MDR-Moderatorin Vera Wolfskämpf, Innenminister Holger Stahlknecht, die Theaterwissenschaftlerin Prof. Dr. Elisabeth Schweeger und der maßgebliche Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, ins Gespräch kommen. Doch bevor die Dramatik eines politischen Disputs inszeniert werden konnte, spielte sich zunächst eine öffentliche Tragödie ab. Kubitschek sei kein diskutabler Partner, empörten sich Politiker von SPD, den Grünen und der Links-Partei. Stahlknecht wollte sich mannhaft dem System Kubitschek stellen. Der in Schnellroda lebende Verleger und Gründer des „Instituts für Staatspolitik“ sieht sich selbst als „primus inter pares“ und Stichwortgeber der neuen rechten Bewegung. AfD-Politiker Björn Höcke und André Poggenburg halten engen Kontakt zu ihm. Während Höcke und Poggenburg mittlerweile parlamentarische Diskutanten sind, darf es Kubitschek nicht sein. Der Intendant der Landesregierung, Ministerpräsident Reiner Haseloff, legte die rote Linie für die Schwarzen in Sachsen-Anhalt fest, über die ein Gesprächsfaden nicht gesponnen werden darf. Was in der Sphäre etablierter Politik stets bestritten wurde – gegen Denkverbote und Bevormundung zu sein – , erfüllte Haseloff mit seiner Regieanweisung nun selbst. Niemand muss Götz Kubitschek und seiner Argumentation und Agitation folgen. Seine relativ geschlossene Gedankenwelt erzeugt Irritationen. Ob der Innenminister der Widersprüchlichkeit von Kubitscheks Thesen angemessen begegnen könnte, bleibt ungewiss. Leicht wäre das sicher nicht. Der Ministerpräsident glaubt, der politische Theatersalon könnte Kubitschek salonfähig machen. Nun bleibt dieser in der Verbannung und seine Veröffentlichungen und Reden unwidersprochen. Sie verbreiten sich im Internet und mit seinen Schriften. Ignoranz taugt wohl kaum als Mittel einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Und leider schafft Haseloffs Absage-Diktat ein düsteres Bühnenbild: Wer vor einem politisch-gesellschaftlichen Diskurs kneift, zeigt leider auch Schwäche. Stahlknecht wollte Stärke zeigen. Ein wenig erinnert das Spektakel an eine schöne deutsche Sage. Stahlknecht wäre wie Siegfried der Drachentöter, der sich mutig der Bestie entgegenstellt, aber hinterrücks von Hagen gemeuchelt wurde. Den Helden des Bühnen-Duells hat nun Haseloff demontiert. Und dass sich ein Theater indirekt vorschreiben lassen muss, welche Auseinandersetzungen es führen darf und welche nicht, zeugt auch nicht gerade vom demokratischen Anspruch zur Freiheit der Künste. Über Kubitscheks teils autoritären Gesellschaftsanspruch mag man sich empören dürfen, dann aber auch über den Maulkorb gegen politische Auseinandersetzungen. Thomas Wischnewski