Ein Buch aus dem Mitteldeutschen Verlag erzählt über besondere Handwerker im Land, auch über den Magdeburger Blechblasinstrumentenbaumeister Michael Kozloff.
Als wir im Magdeburger Stadtteil Fermersleben eintreffen, geht ein leichter Regen nieder. Feine Tropfen perlen über die Schaufenster des Musikinstrumentengeschäfts von Michael Kozloff. In Richtung Westerhüsen fährt eilig eine Straßenbahn der Linie 2 vorüber. Die Erschütterungen lassen die Stellwände im Verkaufsbereich leise nachklingen. Weiß-, gelb- und rotgoldfarbene Trompeten, Posaunen, Flügel-, Tenor- und Baritonhörner, Euphonien sowie Tuben finden wir hier ausgestellt. Robuste Etuis, Reisetaschen und -koffer für Musiker, Notenpulte, Ersatzmundstücke, Pflegemittel und anderer Zubehör ergänzen das Warenangebot. Auch die Trommeln, Bec-ken, Glocken und Schellen eines weißen Schlagwerks und ein schwarzes Klavier sehen wir in den Auslagen.
Der Regenguss schwillt weiter an und verdunkelt den Vormittag, was den Glanz der Blasinstrumente vor uns jedoch verstärkt. Im Licht der Punktstrahler funkeln aufwendige Gravuren umso kräftiger und weisen darauf hin, wer die derart geschmückten Trompeten geschaffen hat. Wir lesen zwischen den ins hochpolierte Messingblech gestochenen Ranken und Blütenblättern: Meisterbetrieb M. Kozloff Magdeburg. Mit einem Kollegen kommt uns der Metallblasinstrumentenbauer aus seiner Werkstatt entgegen. »Was haben Sie bloß für Wetter mitgebracht?!«, ruft er.
Beide Männer sind guter Laune. Bald gehen wir gemeinsam vor den Instrumenten auf und ab. Manche berühren wir, versuchen das Spiel der Ventile, bewundern ihre Leichtgängigkeit und die Präzision der Mechanik. Wir sind verblüfft wegen des geringen Gewichts einer uns gereichten Konzerttrompete und hängen sie vorsichtig an ihren Platz zurück. Musikalität, ein geschultes Gehör und die Fähigkeit, seine Produkte selbst ausprobieren zu können, sind wichtige Voraussetzung für den Beruf des Instrumentenbauers, erfahren wir.
»Im Blasorchester des Braunkohlekombinats Bitterfeld fing für mich alles an. Mit zwölf, dreizehn Jahren wollte ich unbedingt das Trompetespielen lernen. Mein Vater war der Chef einer Tanzkapelle in Bitterfeld. Sie nannten sich die ›RuKo-Band‹. Das ›Ru‹ leitete sich von seinem Vornamen Rudolf, das ›Ko‹ von unserem Familiennamen ab. In der Stadt und der Umgebung spielten sie bei Tanzvergnügen und waren zu ihrer Zeit recht bekannt.
Während mein Vater Geige und Klavier bevorzugte, mochte ich die Trompete lieber. Und ich hatte Glück, denn meine Zähne und die Lippenform eigneten sich dafür. Über die notwendigen Voraussetzungen verfügt nicht jeder, müssen Sie wissen. Gut, Berufsmusiker bin ich dann nicht geworden. Vielleicht lag es ja am mangelnden Fleiß. Die Neigung zu den Metallblasinstrumenten wurde mir aber zum Beruf.« Wir folgen ihm zum Ladentisch, auf welchem die Kasse steht.
»1972 begann ich eine Lehre bei der ›B & S Blechblas- und Signalinstrumentenfabrik Markneukirchen Klingenthal‹ und verbrachte die darauffolgenden acht Jahre im sächsischen Vogtland. Dort lernte ich auch meine Frau kennen. Nachdem ich die Meisterausbildung erfolgreich abgeschlossen hatte, zog ich für ein Jahr nach Leipzig und arbeitete bei dem Kunsthandwerker Friedbert Syhre. Mir ging es darum, von ihm mehr über die Reparatur und Restaurierung der verschiedenen Metallblasinstrumente zu erfahren. In Markneukirchen Klingenthal hatte ich mich vorrangig mit dem Trompetenbau befasst. Keiner meiner Kollegen bei der ›B & S‹ stellte damals vom Euphonium bis zur Posaune alles her. Es gab einzelne Sparten – die einen haben Konzert- und Jazztrompeten angefertigt, die nächsten Waldhörner, andere waren die Tubabauer, von uns Bassmacher genannt, und so weiter und so fort.«
Michael Kozloff scheint sich für einige Augenblicke seinen Erinnerungen zu überlassen, bevor er weiterspricht: »Mein Ziel war eigentlich, nach Bitterfeld zurückzukehren. Ich wollte mich in meiner Heimatstadt als selbstständiger Handwerksmeister niederlassen. Das musste mit staatlichen Stellen abgestimmt werden und in deren Pläne passen. Irgendwie kamen alle Bemühungen nicht zu dem Ergebnis, das ich mir wünschte. Friedbert nahm mich schließlich mal zur Seite und fragte: ›Warum versuchst du es denn ausgerechnet in Bitterfeld? Weshalb entscheidest du dich nicht für Magdeburg?‹
Er erklärte mir, dass in der Bezirkshauptstadt ein Instrumentenbauer gesucht wurde. Die Gründung privater Handwerksbetriebe unterstützte man damals ausschließlich in sogenannten Engpassberufen. Und auch nur, wenn es keinen anderen desselben Handwerkszweiges vor Ort gab. Der gutgemeinte Rat eines Kollegen brachte mich also nach Magdeburg. Ich erhielt eine Wohnung und den entsprechenden Gewerberaum. Und seither lebe ich gerne in der Stadt. Über 30 Jahre existiert meine Firma schon. Der erste Laden mit Werkstatt befand sich übrigens nicht weit von hier, kaum eine Straßenbahnhaltestelle entfernt.« Er geht uns voran in die Werkstatt und schaltet die Leuchtstoffröhrenlampen ein. Aufflackernd springt das Licht über die Werkbänke. Es weckt den Schimmer auf Messing- und Kupferblechen. In den Regalen an der Wand reihen sich dünnwandige Rohre, Drahtbündel und Kästen voller kleiner Metallkugeln auf. Formlehren, Zangen, Schlegel, Meißel und Treibhämmer liegen bereit.
»Es ist schön, am Morgen ein reparaturbedürftiges oder unfertiges Instrument in die Hand zu nehmen und es abends strahlend und intakt auf der Werkbank zu sehen. Mit den eigenen Händen etwas zu schaffen, gefällt mir. Ich hänge an meinem Handwerksberuf.«
Er rückt das Druckbehältnis eines Gasbrenners ein wenig zur Seite, rollt den Verbindungsschlauch auf und legt ihn über eine Halterung an der Werkbank. Vor einem blauen Schraubstock, der gerade ein matt changierendes Messingstück festhält, bleibt er stehen: »Bei der Reparatur folgt man dem, was von einem anderen vorgegeben wurde. Es muss am Ende wieder funktionieren. Das ist nicht selten eine Herausforderung und leichter gesagt als getan.
Aber die Neuanfertigung ist ein komplexer Gestaltungsvorgang. Das Interessanteste daran ist, aus den Einzelteilen die Gesamtform zu kreieren. Bei Blasinstrumenten, wie wir sie vorhin in der Hand hatten, gehören dazu ein Schallstück, Ventile – wir sagen Maschine –, das Druckwerk, das Mundrohr, der Stimmzug und die mit den Ventilen zugeschalteten Tonbögen. Erinnern Sie sich an die Konzerttrompete, die Ihnen so leicht erschien? Sie führt den eben skizzierten Aufbau wahrscheinlich noch besser vor Augen.
Ich habe sie aus Goldmessing angefertigt, von manchen auch Trompetengold genannt, einer speziellen Legierung aus Kupfer und Zink. Es besitzt einen dunkleren Klang und ist mein Lieblingsmaterial. Stärker beanspruchte Partien am Instrument, wie jene, worin die Ventile sich bewegen, wo man das Mundstück aufsteckt oder die sehr oft bedienten Züge, sind aus Neusilber gemacht. Sie benötigen mehr Härte und Stabilität, die diese Legierung wegen des höheren Zinkanteils bietet. Stahl verwende ich kaum. Allenfalls mal als Schräubchen oder für ein außergewöhnlich belastetes Gelenk.«
Was denn bei einer Neuanfertigung am schwierigsten sei, wollen wir wissen.
»Von den vielen Arbeitsschritten eines Trompetenneubaus ist der, eine gelungene Lotnaht am Schallstück zu erzeugen, vielleicht der schwierigste«, antwortet er. »Man muss das Blech beim Zusammenfügen verzahnen, ehe es verlötet werden kann. Sonst besteht die Möglichkeit, dass die Verbindung sich bei der weiteren Bearbeitung wieder öffnet.«
Uwe Jacobshagen/Peter Traub Leidenschaft und schöne Dinge Handwerk in Sachsen-Anhalt
mitteldeutscher verlag 160 S., geb., 220 × 270 mm, zahlr. Farbabbildungen ISBN 978-3-95462-620-5 Preis: 24,95 Euro