Im Jumbojet neulich. Die Motoren brummten und brummten und ich fing an, mich daran zu gewöhnen. Am Einnicken dann deuchte mich, eine Abstimmung sei im Gange: Die Passagiere hätten zu entscheiden, wie die Gewitterwolke vor uns umflogen werden solle, links oder rechts. Und in welcher Höhe. Demokratie in der Pilotenkanzel, n e i n ! Hellwach wieder, spann ich den Faden weiter. Vage tauchte vor mir eine Filmszene auf. Pilot und Kopilot hatten sich mit verdorbenem Essen vergiftet und rutschten langsam ins Koma. Da fragte eine Stewardess über die Lautsprecher bei den Passagieren an, wer sich denn getraue, die Maschine … O Gott, arbeitete es in mir, just dieselbe Situation in diesem Flieger hier, alles Laien, und niemand würde sich erkühnen, nach vorn zu gehen!
Die Augen wieder geschlossen, sagte ich mir, wie gut doch, dass da im Cockpit Leute sitzen, die ihren Beruf ordentlich gelernt haben – jahrelange Ausbildung, harte Prüfungen, zum Schluss das Examen. Ganz sacht hoben sich meine Mundwinkel und senkten sich schnell wieder, als ich an unsere Staatslenker dachte. Und wie sie es jeweils schaffen, so weit nach vorn zu kommen. Für ihre Jobs gibt es weder Stellenbeschreibungen noch Prüfungen oder gar Examina. Jedenfalls ist davon nie zu hören gewesen. Egal ob Wirtschafts- oder Familienminister oder Verteidigungs-, Gesundheits- oder Finanzminister, es bedarf noch nicht einmal eines Eignungstests. Vielmehr entscheiden die Parteigremien über die Verwendbarkeit, und das wohl kaum anhand von fachlichen Kriterien. Wichtig vielmehr ist, wie gut man „rüberkommt“, im Fernsehen zum Beispiel oder am Rednerpult. Auch, was der Koalitionsvertrag hergibt, ob die Beliebtheit im eigenen und im anderen Lager hinreicht und ob das Geschlecht politikkonform ist. Kann eine Umweltministerin, Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften, überhaupt eine Amsel von einem Star unterscheiden, das Wald- vom Hainveilchen? Weiß ein Landwirtschaftsminister, was an der Grünen Gentechnik so gefährlich ist, dass ihre Produkte der Kennzeichnungspflicht unterliegen, nicht aber die der „konventionellen“ Züchtungstechnik, in der mit Bestrahlung und chemischen Mutagenen gearbeitet wird? Versteht er die revolutionierende CRISPR-Cas-Methode überhaupt? Ist sich unsere Noch-und-baldwieder-Bundeskanzlerin, immerhin eine promovierte Physikerin, darüber im Klaren, dass „Energien“ überhaupt nicht erneuerbar sind?
Nicht etwa, dass es in den Parlamenten des Bundes und der Länder an echten Fachleuten mangelte. Die meisten Abgeordneten sind Juristen, die wenigsten allerdings Naturwissenschaftler, Mathematiker, Informatiker oder Ingenieure. In den Landtagen dürfte es ähnlich zugehen. Ausgerechnet sind es diese Fächer (MINT), die Deutschlands Platz in der Welt bestimmen. Etwa 2,3 Millionen erwerbstätige MINT-Akademiker leben hier, und diese bringen jährlich geschätzte 250 Milliarden Euro ein. Wären sie in den politischen Gremien stärker vertreten, sähe es mit der Wertschätzung der harten Disziplinen an den Schulen und Hochschulen besser aus. Und zugleich auch mit den Chancen unseres Landes für die Zukunft. Die oft parteipolitisch motivierte Ämterschacherei unabhängig vom jeweilig zu fordernden Sachverstand für Tätigkeiten mit einer extrem hohen Verantwortung gilt es, zu kritisieren.
Von kundiger Fachhand gesteuert, hält das Flugzeug seinen Kurs. Ich bin dem Einschlafen nahe. Wo noch war denn da zu lesen, dass manche Vertreter unserer Politprominenz ihr Studium nicht geschafft oder einfach abgebrochen haben und dennoch Erfahrungen in hohen und höchsten Staatsämtern sammeln durften? Gott sei Dank nicht in diesem Cockpit hier! Annette Schavan entschied einst als Bundesministerin für Bildung und Forschung über das Wohl und Wehe von Forschungsstrategien in Deutschland. Von Haus aus Theologin und trotz gefälschter Doktorarbeit soll sie ihre Sache recht gut gemacht haben. Ist fachliche Qualifikation in derlei Ämtern gar nicht nötig, vielleicht sogar hinderlich? Und wie sieht das bei den Staatssekretären aus und den Abteilungsleitern? Auf welcher Sprosse nach unten hin wird denn nun endlich Fachwissen nötig? Und warum kommen die niederen Ränge, die Fachleute also, in der Politik nicht zu Wort, jedenfalls nicht so, dass wir sie im Volk hier drunten auch hören können? Hat man da weiter oben Angst, dumm dazustehen, wenn ihre versierten Mitarbeiter sprechen? So dumm wie das Volk, das ihre Politik und ihre in den Medien vertretenen Ansichten nicht versteht? Zum Beispiel, wieso links gut und rechts schlecht ist und konservativ gleich populistisch, nationalistisch, rechtsextrem oder braun?