Leidenschaft, die von der Bühne quillt

050116PG_Theater1klInes Lacriox und Matthias Engel vom Theater an der Angel über Theater-Tradition, Lebensphasen und Lebendigkeit auf der Bühne.

Frau Lacroix, Herr Engel, ist das Theaterspiel der heutigen Zeit anders als vor 100 Jahren?


Matthias Engel: Lassen Sie mich mit Max Reinhard antworten: „Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters. Es ist der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiterzuspielen.“
Ines Lacroix: Sicher hatte das Theater in der Zeit der Aufklärung, mehr den Anspruch Wissen und Moral zu transportieren. Zum Unterhaltungsbetrieb wurde es mehr und mehr in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Selbst Brecht hat stets gefordert, dass Theater zuerst unterhalten muss. Unterhaltung wird heute von vielen Kanälen besetzt. Um so wichtiger ist es für uns, authentische Momente zu erzeugen und zu versuchen, jeden Zuschauer mitten ins Geschehen zu ziehen.

Und Wie gelingt Ihnen das?
Matthias Engel: Indem von der Bühne herunter Leidenschaft quillt. Die Glaubwürdigkeit der Aussagen ist wichtig. Was ich im Stück sage, dazu muss ich auch  persönlich stehen.
Ines Lacroix: Wir wollen mit jedem Zuschauer ins Gespräch kommen. Unser kleiner Vorstellungsraum bietet dafür schon Mal eine ideale Voraussetzung. Ausfüllen müssen wir den Anspruch selbst.

Im Theater an der Angel sind Sie beide von der Auswahl, der Entwicklung bis zur Umsetzung eines Stücks auf der Bühne alles in Personalunion. Ist dies für Ihr Anliegen ein Vor- oder eher ein Nachteil?
Ines Lacroix: Das ist zunächst ganz ursprüngliches Theater. Bevor es große Bühnenbetriebe gab, bestanden Theater vorrangig aus Familien und die waren ähnlich wie wir strukturiert. Sie mussten sich um die Familie herum einen funktionierenden Apparat aufbauen.
Matthias Engel: Unsere Konstellation besitzt natürlich viele Vorteile im Sinne freier Entscheidungen. Das fängt eben bei der Auswahl eines Stücks an, geht über eigene Textideen bis zum letzten I-Tüpfelchen der Inszenierung. Dafür steckt andererseits viel mehr Arbeit in allem. Ein  Schauspieler mit Vertrag lernt seinen Text und spielt seine Rolle. Um mehr muss er sich nicht kümmern.

Sie haben regelmäßig ausverkaufte Vorstellungen. Da gelingt es offensichtlich Lebendigkeit und Leidenschaft von der Bühne sprechen zu lassen.
Ines Lacroix: Es ist jedoch jedes Mal ein anstrengender Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Wir möchten immer auch Gedanken äußern, die für unsere Besucher vielleicht bisher unbekannt waren.
Matthias Engel: Wenn wir etwas Gruseliges machen, beschäftigen wir uns damit, warum sich Menschen überhaupt gruseln. Gehört das Phänomen zu unserer Natur und wodurch wird es ausgelöst oder strebt unsere Sehnsucht gar ins Dämonische? Solche Gedanken stecken wir beispielsweise in ein Stück.

Und wie finden Sie Ihre Inhalte?
Ines Lacroix: Unsere Themen speisen sich aus unseren Lebensphasen. Früher waren wir jung und verliebt. Das spiegelte sich in unseren Stücken wieder. Später sind wir viel gereist und haben Ideen aus der Ferne mitgebracht. Gerade beschäftigen wir uns mit dem Thema Zeit, die ja für jeden endlich ist. Solche Betrachtungen werden bei unserem Sommertheater im Mittelpunkt stehen.

Ines Lacroix und Matthias Engel haben noch viel Zeit, Theater zu spielen?
Matthias Engel: Was wissen wir schon von unserer Zeit? Für uns ist wichtig, zu überlegen, ob wir genügend Kreativität und Energie für weitere fünf Jahre aufbringen können.

Aber in die Herzen und ins Interesse der Menschen der Region haben Sie sich schon lange gespielt.
Ines Lacroix: Das hoffen wir. Ich spüre aber auch ein insgesamt gewachsenes Interesse an Theater. Man schaue auf die große Resonanz und Nachfrage zu den vielen Sommertheater-Angeboten in der Stadt. Das schwingt gewiss auch die lange Magdeburger Theater-Tradition mit. Allein auf dem Werder gab es vor dem Krieg vier feste Bühnen. 4.000 Menschen sind hier regelmäßig ins Theater gegangen. Da schließt sich wieder der Kreis zu Max Reinhard.

Fragen: Thomas Wischnewski