Nationalhelden für Magdeburg

sport_hsv-medizin2Die Abteilung Tischtennis des HSV Medizin Magdeburg trumpft mit fünf Nationalspielern auf.

Von Norman Seidler

Die Fahrt nahm kein Ende. Fast 24 Stunden Busfahrt und rund 1.700 Kilometer liegen hinter Eugen Cosciug. Ein elendiger Ritt aus Moldawiens Hauptstadt Kischinau bis hinauf nach Magdeburg. Der erst 17-Jährige spielt leidenschaftlich gern Tischtennis – und das mit Erfolg. Moldawiens Nummer Drei der nationalen Rangliste ist gleichzeitig Nationalspieler in seinem Land.


Heute Vormittag sitzt er bei Team Manager André Futh im Büro. Beide unterhalten sich auf englisch, vereinbaren das Mittagessen und die nächsten Schritte. Ein Telefonat folgt, Cosciug versucht seinen Busfahrer zu erreichen. Der teilt ihm mit, dass er heute Abend oder morgen in aller Frühe aus Magdeburg abgeholt wird, wenn der Bus Richtung Heimat geht.
Beim HSV Medizin Magdeburg e.V. tummeln sich gleich mehrere hochdotierte Nationalspieler, die die erste Mannschaft im Tischtennis verstärken. Der Oberligist erreichte in der abgelaufenen Saison Rang vier und erzielte damit das beste Ergebnis der 64-jährigen Abteilungsgeschichte. Von den 1.740 Mitgliedern des HSV Medizin sind 71 im Tischtennis aktiv. Manager André Futh hat hier alle Fäden in der Hand und einen genauen Überblick über alle fünf Mannschaften, die sich von der Oberliga Mitteldeutschland bis zur Bezirksklasse verteilen. Er selbst spielt in der zweiten Mannschaft und sieht sich in seiner Rolle als Aktiver berufen, den Erfolg der Mediziner aufrecht zu erhalten und weiter zu steigern.
An Eins: Gavin Maguire – irischer Nationalspieler, an Zwei: Toomas Libene – estländischer Nationalspieler, an Drei: Daniel O´Connell – walisischer Nationalspieler, an Vier: Mark Mechau – deutscher Gehörlosen-Nationalspieler, an Fünf: Christian Wallborn aus Magdeburg und an Sechs: Eugen Cosciug – moldawischer Nationalspieler. Die erste Mannschaft ist ein Fass voller Nationen. Futh spielt in dieser Mannschaft eine ergänzende Rolle und tritt „mehr in der zweiten Mannschaft an“, wie er erklärt und er führt an: „Die Spieler haben in ihren eigenen Ländern das höchste Niveau erreicht, während in Deutschland die Messlatte im Tischtennis viel höher liegt. Die Spieler kommen hier her, um sich fit zu halten, sich zu steigern und sich auf ihre Nationalspiele vorzubereiten.“ Im sächsischen Eilenburg befindet sich ein Leistungsstützpunkt für die Tischtennisprofis. Unter einfachsten Bedingungen wohnen sie dort, so auch Cosciug und Co. „Dort trainieren sie unter professioneller Führung: zwei Mal täglich, sieben Tage die Woche. An den Wochenenden reisen unsere Spieler zusammen her nach Magdeburg, um die Punktspiele zu bestreiten. Unser Vorteil ist, dass die Jungs eintrainiert zu uns kommen und optimal vorbereitet sind“, erzählt André Futh.
Seine Ansprüche spiegeln sich in der ersten Mannschaft wieder, wie er erklärt: „Ich will, dass sich hochrangiger Tischtennis in Magdeburg etabliert. Mein Traum ist es, dass wir eines Tages ein Bundesliga-Team stellen.“ Dafür gibt es jedoch viel zu tun. Spieler begeistern, telefonieren und natürlich auch Sponsoren gewinnen, denn jeder Spieler kostet Geld. „Die Profis bekommen Aufwandsentschädigungen für die Anreisen. Sie bekommen von uns Trainingsanzüge, Schlafplätze und wir gehen gemeinsam essen oder starten Ausflüge“
Beim abendlichen Training in der Halle an der Berthold-Brecht-Straße wird Eugen Cosciug herzlich empfangen. Bernhard Czaja, ehemaliger Vereinschef und derzeitiger Schatzmeister kümmert sich mit seinen fast 80 Jahren väterlich um die Gastspieler. Czajas Blicke folgen den schnellen Ballwechseln des 17-jährigen Cosciug, die andeuten, welche TV-reifen Duelle in den Punktspielen der Oberliga entstehen. „Der eigene Nachwuchs ist in Magdeburg begrenzt, doch wenn unsere Jugend mit den Profis zusammen trainiert, kann sie viel lernen“, erklärt Futh. Die Vermischung aus Magdeburger Urgesteinen und internationalen Größen soll das Ziel sein. Fuths Traum von der Bundesliga in Magdeburg ist nicht unmöglich, denn klar ist auch, dass die Profis ihre Chancen ergreifen: „Einige machen hier ihr Abitur und beginnen ein englisches Studium. Nebenbei üben sie ihren Lieblingssport aus und kommen gern zu uns, weil sie hier schnell Teil des Teams werden.“ Ob Peru, Moldawien oder Wales, der Sport kommt im internationalen Magdeburg zusammen.