Rolle zum 300. Geburtstag

johann_heinrich_rolleJohann Heinrich Rolle wurde am 23. Dezember 1716 in Quedlinburg als Sohn des Stadtkantors Christian Friedrich Rolle geboren. Im Jahre 1722, nach der ohne Erfolg gebliebenen Bewerbung des Vaters um das Leipziger Thomaskantorat, zog die Familie nach Magdeburg. Hier übernahm Christian Friedrich Rolle das Amt des Director musices und Kantors am Altstädtischen Gymnasium, das er bis zum Tode im Jahre 1751 innebehielt.

Johann Heinrich wurde Schüler an dieser Schule, deren musikpädagogische Tradition mit dem Wirken berühmter Kantoren wie Martin Agricola, Gallus Dressler und Leonhart Schröter verbunden war und an der einst auch Georg Philipp Telemann gelernt hatte. Erste musikalische Unterweisungen erhielt Rolle von seinem Vater und bereits als 18-jähriger wurde er Organist an der Magdeburger Petrikirche. 1737 nahm er in Leipzig ein Jurastudium auf. Danach, im Jahre 1740, wollte er eigentlich „ein Justitiariat unweit Berlin annehmen“, wurde dann aber bereits 1741 Mitglied der Kapelle des preußischen Königs Friedrich II. Der Austausch mit den Berliner Kollegen, insbesondere mit den Brüdern Graun und Benda, dürfte seinen weiteren Werdegang und seinen musikalischen Stil stark beeinflusst haben. Eine Reise nach Italien, die ihm in dieser Zeit angeboten wurde, kam nicht zustande. Bereits 1746 verließ Rolle Berlin wieder und wurde Organist an der Magdeburger Johanniskirche, 1752 folgte er seinem 1751 verstorbenen Vater im Amt nach. Vier Jahre später bewarb er sich „unter der Hand“ um das Leipziger Thomaskantorat und 1767 bemühte er sich um die Nachfolge des von ihm hochverehrten Telemann in Hamburg – wenige Zeit vor dessen Tod hatte er den greisen Musikdirektor in Hamburg noch besucht. Doch in Leipzig hatte man sich bereits auf Johann Friedrich Doles festgelegt, in Hamburg unterlag er seinem Mitbewerber Carl Philipp Emanuel Bach um nur eine Stimme. So blieb Rolle bis zu seinem Tode im Jahre 1785 in Magdeburg, wo er sich insbesondere um die Herausbildung eines bürgerlichen Konzertlebens verdient machte: Man darf ihn wohl in diesen Dezennien als den musikalischen Mittelpunkt der Stadt verstehen.

Nach dem Siebenjährigen Krieg, währenddessen sich der Berliner Hof für längere Zeit in der Festungsstadt aufgehalten und mannigfaltig auf das Kultur- und Geistesleben Magdeburgs eingewirkt hatte, begann Rolle mit seinen Subskriptionskonzerten, in denen er vorrangig eigene, speziell dafür entstandene Kompositionen zur Aufführung brachte. Zeitgenossen beschreiben diese stets im Winterhalbjahr veranstalteten Konzerte als wichtige gesellschaftliche Ereignisse. Die zahlreichen geistlichen Oratorien, die als „Musicalische Dramen“ bezeichnet wurden, basieren vorrangig auf den vom Zeitgeist der Empfindsamkeit geprägten und teilweise von Klopstock beeinflussten Libretti von Samuel Patzke und August Hermann Niemeyer. Sie fanden im gesamten deutschsprachigen Raum Verbreitung. johann_heinrich_rolleDa Rolle sie nach und nach fast alle in bequem zugänglichen Klavierauszügen veröffentlichte, vorrangig im Leipziger Verlag Breitkopf und in verhältnismäßig hohen Stückzahlen, fanden die für den Magdeburger Konzertsaal geschriebenen Werke auch Eingang in den Bereich des privaten Musizierens am heimischen Klavier. Rolles umfangreiches und seinerzeit ebenfalls weit verbreitetes kirchenmusikalisches Schaffen (8 Passionsmusiken, zahlreiche gottesdienstliche Kantaten) ist heute – bis auf die gelegentlich zu hörenden qualität- und wirkungsvollen Motetten und Passionen – noch kaum bekannt. Die in Drucken veröffentlichten geistlichen und weltlichen Lieder nach Dichtungen von Klopstock, Gellert, Sturm und anderen waren wegen ihrer leichten Schreibart beliebt. Rolle hat sich vor allem als Komponist von vokaler Musik einen Namen gemacht, und tatsächlich hat er ein nur relativ schmales Instrumentalwerk hinterlassen. Aus diesem Bereich sind seine schön gearbeiteten Klaviersonaten zu nennen, seine Klavierkonzerte, einige Kammermusikwerke und Sinfonien.

Johann Heinrich Rolles ungemein erfolgreiche, in Konzertsaal und privater Musiksphäre gleichermaßen verbreitete „Musikalischen Dramen“ prägten das Bild des deutschsprachigen Oratoriums in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ganz wesentlich und wirkten bis in das 19. Jahrhundert hinein. Mit seiner „empfindsamen“ Musik, den gefühlvollen Accompagnati, Arien und Chören, die er gern zu ganzen musikalischen Szenen verband und den von ihm bearbeiteten religiösen Themen traf er den Nerv der Zeit wie kaum ein anderer. So ist auch zu verstehen, wenn der Hallenser Theologiestudent und nachmalige Prediger an der Berliner Jerusalemkirche Carl Wilhelm Brumbey ihn 1781 mit einer gewissen Selbstverständlichkeit als den „Lieblingscomponisten der Nation“ bezeichnete. Ralph-Jürgen Reipsch


01a_biederitzer-kantoreiBiederitzer Kantorei ehrt Rolle mit einem Konzert

Die Biederitzer Kantorei hat das Johann Heinrich Rolle Jubiläum dazu benutzt, um die kulturelle Blüte, die Rolle zu Lebzeiten in Magdeburg geschaffen hat, ins Bewusstsein zu führen um damit das heutige Kulturleben zu beflügeln. So sind alle Vorhaben in diesem Jahr unter dem Motto „Blütezeiten“ durchgeführt worden. In der St. Andreas Kirche Magdeburg-Cracau, Bassermannstraße, erklingt am 9. Dezember, um 19.30 Uhr, zum Abschluss der Rolle Ehrungen eines seiner wirkungsvollsten Werke für Soli, Chor und Orchester. Es handelt sich um das Weihnachtsoratorium „Die Geburt Jesu Christi“. In dieser Komposition werden mit einem großen Barockorchester lyrische aber auch dramatische Elemente zusammengebracht. Die Ausführenden sind Grit Wagner (Sopran), Marie Henriette Reinhold (Alt), Michael Zabanoff (Tenor) Matthias Vieweg (Bass), Sandra Schilling (Orgel), Biederitzer Kantorei, Märkisch Barock, Die Leitung hat KMD Michael Scholl. Die Karten kosten 12 (erm. 10) Euro. Gefördert wird das Konzert durch die Ständige Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, der Kloster Bergesche Stiftung und die Stiftung Kloster Unser Lieben Frauen.

Kartenvorbestellungen: Beim Förderkreises Biederitzer Kantorei e.V.: Mo – Do von 9 – 15 Uhr, Tel.: 03 92 92/69 90 30, E-Mail: foerderkreis@biederitzerkantorei.de