Ich gehöre zur Generation Y. Eines von vielen Dingen, die man uns nachsagt, ist unser Drang zur Selbstverwirklichung. Wir möchten individuell sein und kaufen doch alle in den gleichen hippen Geschäften. Nur um uns dann aus dem Internet Anleitungen zu suchen, wie wir unsere Kleidung individualisieren können. Mit sogenannten DIY Anleitungen. Hier ein paar Löcher reinschneiden, da ein bisschen was mit Farbe besprühen und vielleicht noch das ein oder andere Detail ankleben. Das Ergebnis wird dann auf allen sozialen Netzwerken stolz präsentiert. Während ich für die Artikel in dieser Ausgabe über das Modethema recherchiert habe und auch mit Leuten ins Gespräch gekommen bin, ist mir immer wieder der Beruf der Schneiderin untergekommen. Früher gab es viele davon, 1920 über 1.000 Schneiderinnen und Schneider allein in Magdeburg. Heute sind es deutlich weniger. Aber warum lassen wir uns nichts mehr schneidern? Damit wären wir doch wirklich individuell. Oder wir könnten unsere Kleidung selber nähen. Es würde uns auch nicht mehr kosten als die Kleidung bei H&M, Zara und Co. Und wir hätten etwas zum Präsentieren in der schönen Scheinwelt des Internets. Mit den richtigen Hashtags würden wir Menschen aus der ganzen Welt zeigen können wie toll und individuell wir sind. Und es hätte weitere Vorteile. Wir wüssten, was wir da tragen. Könnten die Stoffe selbst wählen – vegane Baumwolle oder doch lieber Seide, Leder vielleicht? Es würde uns ganz sicher passen. Wäre uns auf den Leib geschneidert. Kein frustriert vor dem Spiegel stehen, weil das T-Shirt zu weit, zu eng, zu kurz oder zu lang für unseren Körper scheint. Und wer weiß, vielleicht würde uns das Nähen sogar Spaß machen. Wir würden unsere ganz eigene Mode entwerfen, ganz genau so, wie sie uns gefällt. Wenn ich so darüber nachdenke, steht meine Nähmaschine die meiste Zeit auch nur unbenutzt herum. Dabei gibt es ein paar Straßen weiter sogar einen Stoffladen. Die ersten Versuche muss ja niemand zu Gesicht bekommen. Obwohl, ein bisschen Authentizität könnten die glitzernden Scheinwelten auf unseren Social Media Kanälen auch vertragen. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und vielleicht inspiriert man gerade so andere dazu, mitzumachen. Nadine Janetzky