Fokale Therapie bei
Prostatakrebs
Von Jacqueline Heß
Die Prostata ist eine etwa kastaniengroße Drüse, die unterhalb der Blase liegt. Sie spielt eine zentrale Rolle im männlichen Sexualleben, denn hier wird das Ejakulat produziert.
Mit circa 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr allein in Deutschland ist Prostatakrebs die häufigste Tumorerkrankung bei Männern. Prostatakrebs ist eine Erkrankung des gehobenen Alters und kommt nahezu nicht vor dem 50. Lebensjahr vor. „Auch in Sachsen-Anhalt tritt der Prostatakrebs sehr häufig auf, der Altersdurchschnitt der Patienten liegt hier bei 68 Jahren“, sagt Prof. Dr. Martin Schostak, Direktor der Universitätsklinik für Urologie und Kinderurologie.
„In einer interdisziplinären Sprechstunde des Prostatakrebszentrums an der Uniklinik beraten der Direktor der Klinik für Strahlentherapie, Prof. Dr. Günther Gademann, und ich gemeinsam den Betroffenen und seine Angehörigen, welche Therapie für ihn persönlich die Beste ist“, so der Klinikdirektor. Bereits seit über hundert Jahren gibt es Ganzdrüsenbehandlungen (radikale Prostatektomie und Strahlentherapie) als Standardtherapien beim Prostatakrebs. Die radikale Prostatektomie, also die Entfernung der gesamten Prostata, ist sicher das beste Verfahren, wenn der Tumor ein höheres Risikostadium besitzt. Andererseits werden manche Patienten, deren Krebs kleiner und weniger gefährlich ist, „nur zur Sicherheit“ behandelt, ohne dass daraus eine Verbesserung ihrer Aussichten resultiert. Dieses Phänomen nennt man „Übertherapie“. Mögliche Folgeerscheinungen der Operation wie Störungen beim Wasserhalten und Potenzminderung oder -verlust sind Nebenwirkungen, die trotz bester Technik und großer Erfahrung manchmal nicht zu vermeiden sind.
Insbesondere in Fällen, wenn der Tumor noch klein und wenig aggressiv ist, wird deshalb häufig zu „abwartendem Verhalten“ geraten, bei dem der Tumor zunächst nur beobachtet und nicht behandelt wird. Der Klinikdirektor erklärt: „Die Betroffenen stehen bei der Wahl der Therapieform oft im Spannungsfeld zwischen Radikaltherapien auf der einen und aktiver Überwachung auf der anderen Seite, was eine psychische Belastung darstellt, da die Patienten eigentlich mit dem Kapitel ´Krebs` abschließen wollen. Daher suchen sie nach Alternativen. Patienten haben uns jahrzehntelang in den Sprechstunden nach einer Möglichkeit gefragt, ob nicht bei begrenzten Risikosituationen nur eine Behandlung des Tumors selbst unter Schonung des Restorgans möglich wäre. Als erfolgreiche Alternative in diesem Dilemma hat sich in den vergangenen Jahren bei bestimmten Prostatakarzinomen die sogenannte fokale Therapie etabliert, bei der ausschließlich der bösartige Tumor behandelt wird und die Prostata im Ganzen weitgehend erhalten bleiben kann.“
Mit dem in der Klinik eingesetzten System „Focal One“ wird das Behandlungsangebot für Patienten in Magdeburg erweitert. „Das neue System ermöglicht innerhalb einer einzigen Sitzung eine Diagnostik mittels dreidimensionaler Bildfusion zwischen MRT und Live-Ultraschall, eine roboterassistierte Therapieplanung und gering-invasive Behandlung mit hochintensivem fokussiertem Ultraschall“, informiert der Urologe. Bei dem Focal-One-Verfahren werden Ultraschallwellen auf mehrere kleine Brennpunkte in der Prostata gerichtet. Dort wird die Energie in Hitze umgewandelt und der Krebs wird bei Temperaturen von bis zu 80 Grad Celsius zerstört. Die Behandlung endet scharf direkt am Ende der sogenannten Läsion, sodass Bruchteile von Millimetern daneben liegendes Gewebe, z. B. die Potenzbündel oder der Enddarm, subtil geschont werden. „Die neue Maschine erfüllt sämtliche Anforderungen, die heutzutage im Rahmen einer fokalen Therapie an eine hochpräzise, individuelle Operationsplanung gestellt werden und macht den Behandlungserfolg damit weitaus sicherer“, so Prof. Schostak. Im Unterschied zur bisherigen Gerätegeneration können im Rahmen der Therapie nicht nur Live-Ultraschall-, sondern auch andere bildgebende Verfahren, wie eine multiparametrische Kernspintomografie, dreidimensional fusioniert und zur Therapieplanung sowie -steuerung eingesetzt werden. Die robotergestützte Steuerung wurde zusätzlich noch weiter optimiert, sodass im Sinne eines Autopiloten kleinere Veränderungen von Seiten des Betroffenen, zum Beispiel Darmschleimhautbewegungen, voll automatisch ausgeglichen werden. Noch in derselben Sitzung können die Ärzte den Therapieerfolg mittels duplex- und Kontrastmittel-sonografischer Untersuchungen kontrollieren. Die fokale Therapie, die nur in Studien erfolgt, kann die gleiche krebstherapeutische Effektivität bieten wie die bisherigen Standardtherapien und trotzdem weniger mögliche Nebenwirkungen verursachen. Regelmäßige Verlaufsuntersuchungen im Rahmen der Studien sind allerdings unbedingt notwendig.
PD Dr. Daniel Baumunk, leitender Oberarzt der Klinik, behandelt die Patienten in Magdeburg und ist Trainer in Focal One-Zentren europaweit: „Geeignet ist die Fokale Therapie prinzipiell für Patienten mit einem lokal begrenzten Prostatakrebs, der eine geringe oder mittlere Aggressivität besitzt und nur auf einen Teilbereich der Prostata begrenzt ist, sowie für Männer, bei denen nach einer Strahlentherapie erneut ein kleiner Tumor aufgetreten ist. Wir hoffen, dass wir insbesondere Patienten, die sich weder zu einer Radikaltherapie noch zu einer reinen Überwachung ohne aktive Therapie durchringen können, mit der fokalen Behandlung eine sehr gute Alternative mit einer hohen Lebensqualität bieten können. Der Eingriff kann in Regionalanästhesie durchgeführt werden. Die Therapie dauert, je nach behandelter Zone, zwischen 30 Minuten und zwei Stunden.“
Die Behandlung mit Focal One stellt keine therapeutische Sackgasse dar, sondern ist im Falle eines Rezidivs wiederholbar und lässt auch alle weiteren Behandlungsmöglichkeiten offen. „Wir betreiben Focal One seit über einem Jahr und haben nun europaweite Ergebnisse, die zeigen, dass die Nebenwirkungen mit der neuen Maschine äußerst gering sind. Dadurch hat sich bei Betroffenen aber auch innerhalb der Ärzteschaft ein gewisses Umdenken in Richtung ´Weniger ist mehr´ bei der Therapie eingestellt – weg von den radikalen Eingriffen bei weniger gefährlichen Fällen und hin zur Fokalen Therapie“, so der Klinikdirektor.