„Wind of Change“

kallnik3Bei Fußball-Drittligist 1. FC Magdeburg sind in diesen Tagen einige neue Töne zu hören. Plötzlich ist die Zweite Liga kein absolutes Tabu-Thema mehr. Von Rudi Bartlitz

Wer noch vor Jahresfrist im Gespräch mit der Chefetage des FCM das Wort Aufstieg auch nur vorsichtig in den Mund nahm, erntete, im günstigsten Fall, ein mildes, nachsichtiges Lächeln. Für Mannschaft und Trainer war die Zweite Liga, zumal in der Öffentlichkeit, ein absolutes Tabu. Selbst dann noch, als im Resultat des sensationellen Auftretens des Neulings zumindest der Relegationsplatz lange in Reichweite lag.

Zwölf Monate später glaubt man zu spüren, dass so etwas wie ein leichter „Wind of Change“ über die MDCC-Arena weht. Dass dieser Geist des Wandels kein totaler Trugschluss ist, bestätigte jetzt Geschäftsführer Mario Kallnik im Gespräch mit Journalisten. Erstmals dachte der starke Mann in der Führungsriege der Blau-Weißen öffentlich über die Zweite Liga nach, ging ganz offensiv mit diesem Thema um. „Wir sind“, sagte er, „kein Drittligist für die nächsten 15 Jahre. Wir wollen uns als Verein weiterentwickeln.“ Und: „Ich will an unsere Chance denken.“ Allein wenn er die Gelder für die Fernsehverträge sehe, „brauchen wir uns über Kosten für diese Liga keine Gedanken zu machen“. Die Einnahmen des Klubs aus dem Geschäft mit den bewegten Bildern würden sich bei einem Aufstieg mehr als verzehnfachen. Die 20 Vereine der Dritten Liga erhalten derzeit insgesamt etwa 12,8 Millionen Euro pro Saison, die 18 Vereine der Zweiten Liga hingegen 134 Millionen.

Bei einem Aspekt kann der Außenstehende Kallnik nur beipflichten: Der finanzielle Abstand zwischen den Ligen zwei und drei droht immer größer zu werden. Denn: Selbst wenn es beim 20 Prozent-Anteil der Zweitligisten am Gesamtkuchen der TV-Gelder bliebe, allein durch den enormen Anstieg in der absoluten Zahl – durch den neuen Fernsehvertrag fließen demnächst erstmals über eine Milliarde Euro in die Kassen der beiden höchsten Ligen – wächst der Abstand zu Liga drei. Die nämlich profitiert vom Einnahme-Plus in keiner Weise. „Irgendwann ist der Abstand dann kaum noch zu überbrücken“, befürchtet der Geschäftsführer. In der Tat, da tickt eine Zeitbombe. Diese klaffende Finanzlücke, das ist die eigentliche Tücke der Dritten Liga, die viele Experten neben der englischen als die stärkste der Welt ansehen. Die unterschiedliche Wirtschaftskraft, da sind sich Experten einig, wird über kurz oder lang auf die sportliche Qualität durchschlagen.

Natürlich ist Kallnik klug genug, heute kein genaues Datum für den angestrebten Aufstieg zu avisieren. Aber er sagt: „Der FCM steht für Weiterentwicklung, für neue Wege, neue Ziele.“ Denn auch er hat bereits in der Vorsaison registriert, dass diese Dritte Liga derart ausgeglichen ist, das am Ende alles möglich erscheint. Selbst wenn man derzeit nur auf Rang 13 liegt. Nach dem Aufstieg von Dresden und Aue hat sich die Ausgeglichenheit in dieser Spielzeit sogar noch verstärkt. Es eröffnen sich also zwei Möglichkeiten: die Chance, ganz oben anzugreifen – und die, schnell nach unten durchgereicht zu werden. Kallnik warnt, bei allen Überlegungen zu Liga zwei, deshalb ebenso nachdrücklich vor einer „trügerischen Idylle nach hinten“.

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Für FCM-Geschäftsführer Mario Kallnik ist die Zweite Liga kein Tabu-Thema mehr. Foto: Peter Gercke

Wirtschaftlich, so sieht es aus, scheint also keine unüberwindbare Hürde für den Sprung nach oben zu bestehen. Zumal der FCM nach den Worten seines Geschäftsführers auch in Fragen Stadion für die Zweite Liga gewappnet ist – „selbst wenn da die eine oder andere Auflage kommt“. Mit einer Kapazität von 25.500 Zuschauern sei man auf jeden Fall auch für die nächsthöhere Spielklasse gerüstet. Im Marketing geht es ebenso weiter bergan. Die Zahl der Wirtschaftspartner sei in den zurückliegenden vier Jahren verdoppelt worden. Heute stützt sich der Verein auf 320 Partner, die vor allem aus der Region kommen. Kallnik: „Die regionale Wirtschaft bildet eine tragende Rolle bei der aktuellen Finanzierung des Profifußballs in Magdeburg.“ Dennoch wäre der eine oder andere starke überregionale Partner natürlich zusätzlich herzlichst willkommen. Eines freilich ist klar: Um über den Aufstieg überhaupt reden zu können, muss zunächst die sportliche Qualifikation her. Um die vielleicht nicht so bald wiederkehrende Möglichkeit in dieser Saison beim Schopf zu packen, will der Geschäftsführer keinen Schlendrian zulassen. Dabei nimmt er, ohne Namen zu nennen, insbesondere die Führungsspieler in die Pflicht: „Darüber werden wir mit ihnen reden.“ Aber sein Warnruf geht an alle im Team und lässt in seiner Deutlichkeit keine Wünsche offen: „Wenn Akteure zur Selbstzufriedenheit neigen sollten, meinen, sie könnten sich hier einnisten, werden wir dazwischen grätschen.“ Fazit: Hier meint es einer tatsächlich ernst mit den neuen Zielen.