Der Cracauer Anger
Der Krieg war vorbei. Die Stadt lag noch immer in Schutt und Asche. Wir reden vom Jahr 1648. Die ehemals reichsfreie Stadt wurde dem Kurfürstentum Brandenburg zugesprochen. 1701 begann der neue Gouverneur der Stadt den Aufbau ebenjener Stadt. Sein Ziel: Preußens stärkste Festung sollte hier entstehen. Sein Name: Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau, besser bekannt unter dem Namen „Der alte Dessauer“. Heute würde man attestieren, dass er ein ADHS-Kind gewesen sei. Unangepasst war er sowieso. Hatte eine Bürgerliche geheiratet. Soll in Dessau den Marktweibern über die Töpfe geritten sein, wobei das Irdene unter den Hufen seines Pferdes kurz und klein ging, lud dann aber die so geschädigten Marktweiber in sein Schloss und ersetzte ihnen den gesamten Schaden. Fröhlich gingen sie nach Hause, er hatte sie bezahlt, als hätten sie alle Töpfe am heutigen Tag verkauft. So soll das Märchen vom König Drosselbart entstanden sein. Dieser ansonsten grobe Klotz baute die Stadt auf, aus der einhundert Jahre später die von Immermann oben beschriebene wurde. Der Cracauer Anger wurde als „Revueplatz“ angelegt, also als Übungsplatz für die Soldaten. Unweit des östlichen Brückenkopfes der Turmschanze entstanden ein Pferdelazarett sowie Unterkünfte für eine Scheinwerferabteilung. Von 1860 bis 1870 wurden hier die Rekruten des Magdeburger Pionierbataillons gedrillt, 1873 schließlich ein Schießplatz für Scharfschießübungen errichtet. Zwischenzeitlich, während des Deutsch-Französischen Krieges, richtete man auf dem Anger ein Baracken- und Zeltlager für französische Kriegsgefangene ein. Die gewaltigen Kasernenkomplexe an der Breitscheidstraße und am Jerichower Platz entstanden erst 1935, im Zuge der Aufrüstung des Dritten Reiches. Diese Komplexe wurden später von der Roten Armee übernommen und blieben bis 1992 in deren Obhut. Hier fanden aber auch die „Schlachten“ zwischen den westelbischen Kindern des „Knattergebirges“ und den ostelbischen Bälgern statt. Dabei ging es mit Knüppeln und Pflastersteinen auch nicht eben zimperlich zur Sache. Inmitten der militärischen Struktur des Angers war er aber auch beliebt seiner Restaurationen wegen, beispielsweise des Restaurants „Stadt Loburg“ mit einem Bärenzwinger, in dem ein Bernburger und ein Berliner Bär untergebracht waren. Und der Sport spielte hier eine große Rolle. 1896 entstand hier die 400-Meter-Radrennbahn zwischen Jerichower Straße und Berliner Chaussee. Magdeburg war damals eine Radfahr-Hauptstadt in Deutschland. Auf dem Kleinen Cracauer Anger begann die Gründerzeit des Magdeburger Fußballs. Allerdings schritt hier 1904 die Mililtär-Kommandantur ein. Auf dem Exerzierplatz des Kleinen Cracauer Angers „huppt er wieder“, der Hans Grade. Immerhin erhielt Magdeburg bereits 1919 das Recht, auf dem Großen Cracauer Anger einen Flugplatz zu betreiben.