Magdeburg – die stärkste Festung Preußens. Für die Soldaten gab es jedoch zu keinem Zeitpunkt ausreichend Platz. Das zeigt auch das Buch „Magdeburger Kasernen“.
Von Tina Heinz
Beim Stichwort Kasernen in Magdeburg schweifen die Gedanken unweigerlich zu einer der bekanntesten Kultur-Institutionen der Stadt. Die Festung Mark ist einer der wenigen Zeugen der einst größten preußischen Festung Magdeburg. Doch bei weitem nicht der einzige. Leider erzählen heute mehr historische Schriften und Bilder als noch erhaltene Gebäude von der ehemals militärisch so bedeutenden Stadt … Die Anfänge der Festung Magdeburg lassen sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Damals verlief die Stadtmauer im Bereich der heutigen nördlichen Altstadt zwischen Otto-von-Guericke-Straße, Krökentor sowie südlich des Domes. Erst im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Stadtbefestigung umgebaut und erweitert – u.a. wurden die Festungsanlagen auf das östliche Elbufer ausgedehnt. Während des 30-Jährigen Krieges ließ der schwedische Oberst Falkenberg zudem die Befestigung von 40 auf 150 Meter Tiefe ausbauen und vor den Toren Schanzen sowie Hornwerke errichten. 1631 wurde die Festung auf Befehl von General Pappenheim schließlich geschleift. Unter der Herrschaft Brandenburg-Preußens sollte Magdeburg jedoch zur stärksten Festung heranwachsen. Kurfürst Friedrich Wilhelm gab 1666 den Befehl zur Instandsetzung der Anlagen, in deren Rahmen die Elbfront verstärkt und die Bastionen Cleve sowie Preußen errichtet wurden. Auf dem Werder entstand zudem eine große Zitadelle. Unter Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau wurden etwa 40 Jahre später mehrere Bastionen errichtet. Weitere kamen in einer späteren Bauphase hinzu, ebenso wie das Fort Berge und die Turmschanze. In der Mitte des 18. Jahrhunderts maß die gesamte Festungsanlage schließlich eine Fläche von etwa 200 Hektar – die Stadt war zu diesem Zeitpunkt 80 Hektar kleiner. Wie Sabine Ullrich im von der Landeshauptstadt Magdeburg herausgegebenen Werk „Magdeburger Kasernen“ schildert, musste sich die Stadt bereits im Jahr 1666 im Vertrag vom Kloster Berge dazu bereit erklären, „als ständige Garnison brandenburgische Soldaten aufzunehmen“. Infolge dessen zogen neben den bereits ansässigen etwa 7.000 Einwohnern der Altstadt 1.200 Soldaten, 700 Frauen und 1.500 Soldatenkinder innerhalb der Stadtmauern ein. Der Platz für die zusätzlichen Bewohner reichte dafür jedoch nicht aus. Und da Kurfürst Friedrich Wilhelm seinen Verpflichtungen, für die Soldaten Baracken zu errichten, nicht nachkam, „begann der Rat der Stadt 1667 zwischen Schrotdorfer Tor und Krökentor auf städtische Kosten zwei Baracken zu errichten … Ein Jahr später kamen zwei weitere Baracken zwischen Ulrichstor und Schrotdorfer Tor hinzu.“ Das Engagement wohlhabender Bürger ging so weit, dass 1690 bereits 76 solcher Soldatenwohnhäuser zwischen Sudenburger-, Ulrichs-, Schrotdorfer- und Krökentor existierten. Dass die Bürger sich am Bau der Baracken beteiligten, war freilich nicht ganz uneigennützig, denn so konnten sie die Einquartierung der Soldaten in ihren eigenen Häusern umgehen. Sie mussten jedoch für die Instandhaltung Sorge tragen und hatten je einquartiertem Soldat eine Abgabe von zwei Groschen im Monat zu leisten, schreibt Sabine Ulrich. Die Baracken der damaligen Zeit hatten 8 Stuben und 16 Kammern, wobei jede Stube zwei verheiratete und vier ledige Soldaten beherbergte. Da sich in den folgenden Jahrzehnten die Situation verschärfte – unter König Wilhelm I. war die Garnison doppelt so stark wie geplant – wuchs der Unmut der Bevölkerung gegen das Militär aufgrund des knapper werdenden Wohnraums. Wie in der Schrift „Magdeburger Kasernen“ beschrieben, wurden neben den Quartieren in Bürgerhäusern und den Baracken im Zuge des Ausbaus der Festung auch einzelne Bereiche der Festungsanlagen als Soldatenunterkünfte genutzt. So etwa die Zitadelle auf dem Werder, das 1904 gesprengte Fort Berge (aufgrund seines Grundrisses auch Stern genannt), Bastionen, Ravelins, Kavaliere, Außenforts und Zwischenwerke mit ihren teilweise zu Unterkünften ausgebauten Kasematten. Selbst im zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausgebauten Fürstenwall lagen bewohnbare Kasematten – insgesamt sechs Stuben mit je einer Küche. Leopold von Anhalt-Dessau, der zwischen 1701 und 1747 Gouverneur der Festung Magdeburg war, hatte sich zum Ziel gesetzt, Magdeburg zur stärksten preußischen Festung auszubauen. Im Rahmen der Festungserweiterung ließ er an der Elbe zwischen dem Turm Preußen und dem Jakobsförder ein Provianthaus errichten. Ein Garnison-Lazarett wurde „auf einem wüsten Platz auf dem Gelände des Maria-Magdalenen-Klosters zur Versorgung kranker Soldaten“ gebaut. Auf der Westseite des Domplatzes entstand ein Zeughaus. Und der Domplatz wurde zudem gepflastert, damit die Soldaten dort das Exerzieren üben konnten. In diese Zeit fiel ebenfalls der Bau des Forts Berge, „in dessen Kernwerk, dem Donjon, eine große zusammenhängende, gewölbte und mit Erde bedeckte Kasematte mit 8 m Scheitelhöhe und 10 m Spannweite eingearbeitet war“. 2.000 Mann konnte diese Kaserne beherbergen. Während der relativ kurzen napoleonischen Phase, in der Magdeburg in das französische Königreich Westphalen integriert wurde, kam es zum Ausbau der Glacis-Anlagen. Es wurden jedoch auch die Sudenburg, die Neustadt und das Kloster Berge abgerissen. „Im September 1813 musste die ganze Garnison kaserniert werden“, heißt es in Sabine Ulrichs Werk. „Zu den bis dahin als Kasernen verwendeten Lokalitäten, den alten Baracken, den Kasematten der Zitadelle und den Souterrains unter dem Fürstenwall mussten noch 54 Häuser auf Kosten der Stadt zu Kasernen eingerichtet werden. Bis auf die Heiliggeist-, die Johannis- und die französische Kirche dienten sämtliche Magdeburger Kirchen inklusive Dom als Magazine oder Niederlagen, zeitweilig auch als Stallungen, ebenso die Altstädter Schule, das Kloster Unser Lieben Frauen und die Domschule.“ Erst nach der Niederlage Napoleons 1814 gelangte Magdeburg wieder in preußische Hand. Die Verteidigungsanlagen wurden erneut um- und ausgebaut, Tore neu errichtet, die Wallanlagen modernisiert und innerhalb der Festung entstanden neue militärische Gebäude wie etwa Kasernen. Am südwestlichen Ende des Domplatzes wurde 1820 eine Kaserne für die in Magdeburg stationierte Artillerie errichtet. Das 1945 zerstöre Gebäude bestand aus zwei längsrechteckigen, parallelen Baublöcken und einem schmalen Innenhof. Nahezu alle Truppenteile wurden hier im Laufe der Zeit beherbergt, u.a. die Infanterie, das Train-Bataillon oder die Pioniere. Zudem errichtete das Militär am Ort der ehemaligen Tenaillen Ravensberg und Magdeburg Defensionskasernen. Zur gleichen Zeit wurden die alten, baufälligen Kasernen-Baracken in der Wallstraße verkauft. „Die Unterbringung der Soldaten blieb nach wie vor ein Problem. Magdeburg hatte Anfang des 19. Jahrhunderts noch so wenig Kasernen zu bieten, dass das hier eingerückte 26. Infanterie-Regiment durchweg auf Bürgerquartiere ausweichen musste, deren Zustand die Soldaten durchgängig als höchst mangelhaft empfanden. In der engbebauten Stadt blieb selbst den Bürgern zu wenig Raum“, schreibt Sabine Ulrich. Der Bau von Außenforts ermöglichte es der Stadt, ihre Grenzen ab 1866 bis an die äußere Enceinte zu erweitern. Im Zuge dessen wurden in den 1870er Jahren die letzten Befestigungsanlagen errichtet – so etwa neue Kavaliere und Ravelins, mit zum Teil ein und zweistöckigen kasemattierten Kasernen. Nachdem einige Festungswerke abgetragen waren, konnte zudem an der Nordwestfront der Schrote-Exerzierplatz gebaut werden. Um ihn herum entstanden zwischen Stresemann-, Virchowstraße und Am Krökentor schließlich mehrere militärische Gebäude: die Baracken-Kasernen, eine Wellblechbaracke, eine Militärbäckerei, ein Proviantamt, ein Artilleriedepot, ein Korps-Bekleidungsamt, eine Handwerkerkaserne, eine neue Militär-Arrestanstalt sowie eine Kaserne für die Maschinengewehr-Kompanie. Neben dem Schrote-Exerzierplatz bildete die unter militärischer Verwaltung stehende Friedrichstadt (Turmschanze) einen weiteren Schwerpunkt militärischer Bautätigkeit in Magdeburg. Jedoch wohnten in den 1732 errichteten 15 Friedrichstädter Kasernen etwa 15 Jahre später „keine Soldaten mehr, sondern Fabrikarbeiter bzw. Weber des Fabrikanten Diesing“. Nach 1850 wurde jedoch durch die Einebnung von Flächen zusätzlicher Platz für Kasernen, Schuppen und Pferdeställe geschaffen. „1881 bezog das Feldartillerie-Regiment eine große massive Kaserne in der Artilleriestraße. 1883/84 folgte eine Kasernenbaracke für die Infanterie, die sogenannte Baracke F. Mit Aufhebung der Festung konnten auch große Kasernenanlagen in der Turmschanzenstraße und in der Brückstraße (Bredowstraße) sowie in der Straße Zuckerbusch entstehen.“ 1900 erfolgte die Kabinettsorder, die den Festungsstatus Magdeburgs aufhob. Das Festungsgelände wurde zum Verkauf freigegeben – einige Bereiche wurden abgerissen, andere zur zivilen Nutzung umgebaut. Den Rest erledigte größtenteils der Zweite Weltkrieg.